LETZTE TANKSTELLE VOR ITALIEN
Gerade hatten die Familie aus Solingen ihren
schönen Renault 11 aus der Inspektion geholt, bestens präpariert
für die Urlaubsreise zum Gardasee. Auf dem Kennzeichen prangten nagelneue
TÜV- und ASU-Plaketten, Öl- und Kühlwasserstand waren frisch
kontrolliert.
An der letzten Autobahn-Tankstelle vor der Grenze nach Italien halten wir an, um zu tanken. Der Tankwart leistet seinen üblichen Service und fragt am Ende, ob Öl und Wasser in Ordnung seien. Wir haben zwar keine Bedenken, lassen aber trotzdem nachsehen. Ergebnis: Alles in Ordnung. Jetzt schaut der Mann im Overall in den Öleinfüllstutzen und macht mit einem Mal ein bedenkliches Gesicht. "Ihr Öl ist schlecht, es hat zu wenig Schmierkraft." Als wir ihm erzählen, daß wir nach Italien unterwegs seien, wird sein Gesichtsausdruck noch finsterer. "Ich empfehle Ihnen einen Ölwechsel noch vor der Grenze - in Italien weiß man ja nie !" Entscheiden müßten aber wir, fügt er zurückhaltend hinzu.
Uns kommen Bedenken, und wir lassen den Ölwechsel machen. Lieber auf der sicheren Seite sein, sagen wir uns. So kommt das Auto auf die Hebebühne, der Tankwart beginnt, die Ölablaßschraube zu bearbeiten. Aber er bringt sie nicht auf, muß seinen Kollegen zu Hilfe rufen. Mit Hammer und Schraubenzieher gehen sie auf das Ding los, dann erst hat ein Nußsteckschlüssel Erfolg.
Als das Öl schon fließt, lasse ich mir die Schraube zeigen. Ihr Vierkantansatz ist total demoliert. Deswegen, behauptet der Tankwart, habe er so große Schwierigkeiten gehabt. Nachdem die Schraube wieder sitzt und das neue Öl eingefüllt ist, zahlen wir. Dann schaue ich noch einmal unter den Wagen und kontrolliere: Das Schutzblech gegen Steinschlag ist wieder dran, und alles ist trocken. Also fahren wir weiter.
Es geht über die Grenze nach Italien, und schon bald, auf der Höhe
von Sterzing, machen wir an einer Raststätte Pause. Als wir nach
einer Brotzeit frisch gestärkt zum Wagen zurückkommen, hat sich
unter unserem Auto ein großer Ölfleck gebildet, und aus dem
Motor tropft stetig Öl auf den Boden. Bis zum Gardasee wird es schon
noch halten, hoffen wir, und setzen unsere Fahrt fort.
Und wirklich, wir kommen gut an. Nicht weitvon unserem Urlaubsquartier
gibt es eine Renault-Werkstatt, die wir natürlich gleich ansteuern.
Dort stellt sich heraus, daß das innere Schraubprofil der Ablaßschraube
völlig flachgeklopft ist. Klar, daß da das Öl herausfließt.
Das waren Hammer und Schraubenzieher unseren "netten" Tankwarts
in Österreich.
Zwischen Steinschlagschutz und Ölwanne hat er ein Bündel alter Lappen geklemmt, die logischerweise mit Öl durchtränkt sind. Eine richtige Schweinerei. Er hat genau gewußt, daß er die Schraube kaputtgemacht hat. Also klemmte er die Lappen unters Auto, damit kein Öl tropfte, solange wir uns an seiner Tankstelle aufhielten. Der Ölwechsel selbst, war mit Sicherheit auch nicht nötig.
Quelle: Splitternackt und ohne Geld. Urlaubskrimis
die das Leben schrieb, Robert Sauter, München 1994, Seite 21