RUSSEN IN WIEN

Als am Ende des 2. Weltkriegs die alliierten Besatzungsmächte in Österreich einmarschierten, gab es sehr viel Berührungsängste mit den fremden Soldaten.

Neben vielen tragischen Erzählungen aus der russischen Besatzungszone, die hier nicht kommentiert werden, gab es auch interessante Erzählmotive, die sich vielerorts ähnelten.

Es wird erzählt, daß die russischen Soldaten, die Wasserklosetts nicht gekannt haben sollen, diese zum Waschen von Erdäpfeln *), Fisch oder Salat verwendeten. Wenn beim Ziehen der Kette zum gründlichen Waschen etwas verloren ging, wurde das mit "Sabotage!" erklärt.

Vorfahren des Autors, die beim Herannahen der russischen Besatzungssoldaten ihr kostbares Geschirr in einem alten Weinfaß im Garten vergraben wollten, konnten das Faß beim nicht mehr ganz vergraben, da die Nachbarn schon rufend: "Der Russ kommt!" durch die Gassen rannten. So blieb im Garten ein Hügel. Unter großer Angst mußten sie zusehen, wie ausgerechnet der übergewichtige Koch der in ihrem Haus einquartierten Russen, diesen einsturzgefährdeten Hügel für erste Fahr-Versuche mit einem ihm unbekanntem Fahrrad benutzte, das er einem Wiener Kind weggenommen hatte.


Relikte aus der Besatzungszeit finden sich immer noch in Wiener Gesprächskultur, so wird eine unübliche, schlampige, explizit schlechte Methode als "russisch" bezeichnet.
Als Beispiel sei der "Russenluster"angeführt:

Russenluster ©Wolfgang Morscher

"Russenluster"
© Wolfgang Morscher, 16. Juli 2001

*) in Deutschland: Kartoffel

Variante:

Vom Salatwaschen

Damals, als die Russen hier in Deutschland einmarschierten, da kamen auch bei ihnen in der Nähe...da wurden zwei untergebracht in ner Wohnung. Und die sahen...die kamen wohl aus Hintersibirien und sahen zum ersten Mal ein Wasserklosett. Und dann haben die den Salat dadrin gewaschen, haben Salatköpfe ins Klo geschmissen, und da waren die Salatköpfe weg. Und da gab's unheimliches Theater, weil sie Sabotage vermuteten und die ganzen restlichen Hausbewohner erschießen wollten.

Quelle: Der Rattenhund - Sagen der Gegenwart, Helmut Fischer, Köln 1991, Nr. 81, S. 75


Quelle: mündliche Erzählung an den Autor, Erzähler und Betroffene sind aus Persönlichkeitsschutzgründen anonymisiert.
© Wolfgang Morscher
Vergleiche auch ähnliche Erzählungen in Helmut Fischer, "Der Rattenhund. Sagen der Gegenwart", Köln 1991; Ingo Schneider in "Von Marocchini und Mafiosi" in ÖZfVK 97 (1994) und Christa Habiger-Tuczay, "Sabotage, Sabotage: Die Russenzeit" in: "Vater Ötzi und das Krokodil im Donaukanal - Moderne Sagen aus Österreich", Wien 1996