DER ALTE GROßVATER UND DER ENKEL
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden,
die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß
und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das
Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein
Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich
der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und
sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu
nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen
wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zittrigen Hände das
Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die
junge Frau schalt, er sagte nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm
ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus
mußte er nun essen. Wie sie da so sitzen, so trägt der kleine
Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. "Was
machst du da ?" fragte der Vater. "Ich mache ein Tröglein",
antwortete das Kind, "daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn
ich groß bin." Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an Fingen
endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den
Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts,
wenn er ein wenig verschüttete.
Quelle: Kinder- und Hausmärchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), 1812-15, KHM 78