DER GUTE LAPPEN

Zwei Nähtersmädchen hatten nichts geerbt als einen guten alten Lappen, der machte alles zu Gold, was man hineinwickelte, damit hatten sie genug und nähten dabei noch zu kleinem Verdienst. Die eine Schwester war sehr klug, die andere sehr dumm. Eines Tags war die älteste in die Kirche gegangen, da kam ein Jude die Straße her und rief: »Schöne, neue Lappen zu verkaufen oder zu vertauschen gegen alte, nichts zu handlen?« Wie die Dumme das hörte, lief sie hin und vertauschte ihren guten alten Lappen für einen neuen; das wollte der Jud gerad, denn er kannte die Tugend des alten gar wohl. Als die älteste nun heimkam, sprach sie: »Mit dem Nähverdienst geht's schlecht, ich muß uns ein bißchen Geld schaffen, wo ist unser Lappen?« »Desto besser«, sprach die Dumme, »ich hab auch, während du aus warst, einen neuen und frischen dafür eingehandelt für den alten.« - (Nachher wird der Jude ein Hund, die zwei Mädchen Hühner, die Hühner aber endlich Menschen und prügeln den Hund zu Tode.)


Quelle: Kinder- und Hausmärchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), 1812-1857; in der Ausgabe letzter Hand (1856/57) nicht mehr enthaltene Märchen früher Auflagen. Fragment.