DER FUCHS UND DIE KATZE
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete,
und weil sie dachte 'er ist gescheit und wohl erfahren, und gilt viel
in der Welt,' so sprach sie ihm freundlich zu. 'Guten Tag, lieber Herr
Fuchs, wie gehts? wie stehts? wie schlagt Ihr Euch durch in dieser teuren
Zeit?' Der Fuchs, alles Hochmutes voll, betrachtete die Katze von Kopf
bis zu Füßen und wußte lange nicht, ob er eine Antwort
geben sollte. Endlich sprach er 'o du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger
Narr, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn?
du unterstehst dich zu fragen, wie mirs gehe? was hast du gelernt? wieviel
Künste verstehst du?' 'Ich verstehe nur eine einzige,' antwortete
bescheidentlich die Katze. 'Was ist das für eine Kunst?' fragte der
Fuchs. 'Wenn die Hunde hinter mir her sind' so kann ich auf einen Baum
springen und mich retten.' 'Ist das alles?' sagte der Fuchs' 'ich bin
Herr über hundert Künste und habe überdies noch einen Sack
voll Liste. Du jammerst mich, komm mit mir, ich will dich lehren, wie
man den Hunden entgeht.' Indem kam ein Jäger mit vier Hunden daher.
Die Katze sprang behend auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel,
wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. 'Bindet den Sack
auf, Herr Fuchs, bindet den Sack auf,' rief ihm die Katze zu, aber die
Hunde hatten ihn schon gepackt und hielten ihn fest. 'Ei, Herr Fuchs,'
rief die Katze, 'Ihr bleibt mit Euren hundert Künsten stecken. Hättet
Ihr heraufkriechen können wie ich' so wärs nicht um Euer Leben
geschehen.'
Quelle: Kinder- und Hausmärchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), 1812-15, KHM 75