DIE SCHLICKERLINGE
Es war einmal ein Mädchen, das war schön, aber faul und nachlässig.
Wenn es spinnen sollte, so war es so verdrießlich, daß, wenn
ein kleiner Knoten im Flachs war, es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß
und neben sich zur Erde schlickerte. Nun hatte es ein Dienstmädchen,
das war arbeitsam, suchte den weggeworfenen Flachs zusammen, reinigte
ihn, spann ihn fein und ließ sich ein hübsches Kleid daraus
weben. Ein junger Mann hatte um das faule Mädchen geworben, und die
Hochzeit sollte gehalten werden. Auf dem Polterabend tanzte das fleißige
in seinem schönen Kleide lustig herum, da sprach die Braut
'Ach, wat kann dat Mäken springen
In minen Slickerlingen!'
Das hörte der Bräutigam und fragte die Braut, was sie damit
sagen wollte. Da erzählte sie ihm, daß das Mädchen ein
Kleid von dem Flachs trüge, den sie weggeworfen hätte. Wie der
Bräutigam das hörte und ihre Faulheit bemerkte und den Fleiß
des armen Mädchens, so ließ er sie stehen, ging zu jener und
wählte sie zu seiner Frau.
Quelle: Kinder- und Hausmärchen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm), 1812-15, KHM 156