Der Geist des Festhauses

Eine Frau ging einmal, als es schon ganz dunkel war, ins Festhaus. Immer schon wollte sie den Geist dieses Hauses sehen und obwohl die Inuit sie davor gewarnt hatten, bestand sie doch auf ihrem Vorhaben.

Mit diesen Worten rief sie den Geist an: "Wenn du im Haus bist, so erscheine!" Und als sie nichts von ihm sehen konnte, schrie sie: "Hier ist ja gar kein Geist, er will nicht kommen."

Da sagte der noch immer unsichtbare Geist: "Hier bin ich, dort bin ich!"

Da fragte die Frau: "Wo sind deine Füße, wo sind deine Schienbeine, wo sind deine Schenkel, wo sind deine Hüften, wo sind deine Lenden?" Und jedesmal antwortete der Geist: "Hier sind sie, dort sind sie!"

Die Frau fragte weiter: "Wo ist dein Bauch?" "Hier ist er," antwortete der Geist. "Wo ist deine Brust, wo sind deine Schultern, wo ist dein Nacken, wo ist dein Kopf?" "Hier, da ist er."

Wie aber die Frau den Kopf berührte, fiel sie plötzlich tot um: er war knochenlos und kahl.

Quelle: Eskimomärchen, übersetzt von Paul Sock, Berlin o. J. [1921], Nr. 18, S. 66.
aus: F. Boas: Central Eskimo (Annual Report of American Ethnology, Vol VI. Washington 1888).