Sonne, Mond und Sterne
Als die Erde noch in Dunkel gehüllt war, wurde ein Mädchen
allnächtlich von jemandem, den sie nicht erkennen konnte, besucht.
Sie bemühte sich festzustellen, wer das gewesen sein könnte;
dazu mischte sie Ruß und Tran und bemalte damit ihre Brust. Darauf
entdeckte sie zu ihrem Schreck, daß ihr Bruder einen Rußkreis
um seinen Mund hatte. Sie machte ihm Vorwürfe, er leugnete aber alles
ab. Vater und Mutter wurden aber sehr zornig und schimpften so heftig,
daß der Bruder in den Himmel rannte, um der Schwester zu entkommen;
die aber lief ihm nach. Der Bruder wurde in den Mond verwandelt, das Mädchen
aber, das sonst das Feuer bohrte, wurde die Sonne. Die Funken, die vom
Feuer stoben, wurde die Sterne. Die Sonne verfolgt immer den Mond, der
sich im Dunkeln hält, um nicht entdeckt zu werden. Bei einer gegenseitigen
Verfinsterung haben sie sich scheinbar getroffen.
Quelle: Eskimomärchen,
übersetzt von Paul Sock, Berlin o.J. [1921], Nr. 6, S. 34.
aus: L. Turner: Ethnology of the Ungawa district. Hudsonbay territory
(Annual Report of American Ethnology, Vol. VII. Washington 1889/90).