Ursprung der Lebewesen

Vor langer Zeit, als das Wasser noch die Erde bedeckte, lebten die Menschen von der Nahrung, die sie in Überfluß fanden. Nichts wußten sie zu jener Zeit von Tieren am Land oder im Wasser. Schließlich ging aber das Wasser zurück und aus den Seegräsern wurden Bäume, Büsche, Sträucher und Gras. Die langen Seegräser wurden Bäume, die kleineren Arten Buschwerk und Gras. Das Gras wurde auf allerlei Art durch das Walroß an die verschiedenen Orte gebracht und erst später kamen die Bäume zum Vorschein.

Eine Frau, die ihren Mann verloren hatte, lebte bei Fremden. Als diese ihren Wohnort verlegen wollten, entschlossen sie sich, nach einer Landspitze in einiger Entfernung zu reisen. Die Frau, die von ihrer Mildtätigkeit abhängig war, wurde ihnen zur Last und sie wollten sie los werden. Sie schafften nun alle ihre Habe ins Familienboot und als sie unterwegs waren, ergriffen sie die Frau und warfen sie über Bord. Die strengte sich nun an, wieder ins Boot zu kommen und wie sie es ergriff, schnitten die anderen ihr die Finger ab. Die fielen ins Wasser und verwandelten sich in Seehunde, Walrosse, Walfische und Eisbären. Die Frau verschrie in ihrer Verzweiflung deren Los, um sich für die an ihr begangene Grausamkeit zu rächen. Der Daumen wurde ein Walroß, der Zeigefinger ein Seehund und der Mittelfinger ein Eisbär. Wenn die ersten zwei dieser Tiere einen Mann sehen, so suchen sie zu entfliehen, damit ihnen nicht geschehe wie der Frau.

Der Eisbär lebt sowohl an Land, wie im Wasser, aber wenn er einen Mann bemerkt, fällt ihn die Rachsucht an und er sucht ihn umzubringen, denn er glaubt, daß jener die Frau, aus deren Finger er entstanden, verstümmelt hat.

Quelle: Eskimomärchen, übersetzt von Paul Sock, Berlin o. J. [1921], Nr. 5, S. 32.
aus: L. Turner: Ethnology of the Ungawa district. Hudsonbay territory (Annual Report of American Ethnology, Vol. VII. Washington 1889/90).