Der goldne Apfel des unsterblichen Vogels. (Ebendaher.)
Es lebte einmal ein König, der hatte eine Tochter, die war das schönste Mädchen auf der ganzen Welt. Da es nun Zeit war sie zu verheirathen, so machte der König bekannt, wer den goldenen Apfel aus dem Garten des unsterblichen Vogels, des ewig brennenden und nie verbrennenden, seiner Tochter zu bringen vermöchte, der solle ihre Hand erhalten. Niemand getraute sich dies auszuführen. Da geschah es, dass ein Jüngling, als er die Königstochter sah, von so mächtiger Liebe zu ihr ergriffen wurde, dass er beschloss alles zu wagen, um sie zu erwerben. Er wandte sich also an eine Zauberin, um sie zu fragen, auf welche Weise er in den Besitz jenes Apfels gelangen könne. Die antwortete ihm, er solle seine Flinte nehmen und den Weg rechts von ihrer Wohnung einschlagen; und alle Vögel, die er unterwegs antreffen werde, bis er in den Wald gelange, worin der unsterbliche Vogel wohne, solle er tödten. In dem Walde angekommen werde er einen Alten finden, der mit Schläuchen handle; von diesen solle er einige kaufen und sie an der im Walde fliessenden Quelle mit Wasser füllen. Dann solle er sie nach dem Schlosse in der Mitte des Waldes tragen. Vor der Thür des Schlosses stehe ein Apfelbaum, an dem hänge der goldene Apfel. 'Dieser Baum nun,' so fuhr sie fort, 'wird nach Wasser schmachten, begiesse ihn also mit dem Wasser, das du in den Schläuchen hast, da wird er dich nicht mit seinen Zweigen schlagen, sondern sich vor dir niederbeugen. Nun schneide den Apfel ab und flieh eilig davon, denn so du einen Augenblick noch verweilst, werden die wilden Thiere aus dem Schloss hervorstürzen und dich fressen.' Der Jüngling that ganz wie die Zauberin ihn geheissen, raubte den Apfel und kehrte zurück in die Stadt, in der der König wohnte. Als das Volk den goldnen Apfel sah, der wie die Sonne strahlte und alle Weisen der Erde spielte, führte es den Jüngling unter grossem Freudengeschrei ins Schloss. Da liess der König schnell den Priester und den Brautführer kommen und seine Tochter mit dem Jüngling trauen. Er trat ihnen auch seinen Thron ab, und so lebten sie glücklich mit einander, wir aber sind hier noch besser daran.
Quelle: Bernhard Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder. Leipzig 1877. S. 82 - 83.
(Nachdruck: Hildesheim, New York, 1978)