Der Teufel und des Fischers Töchter. (Ebendaher.)
Es war einmal ein alter Fischer, der ging eines Tags ans Meer, um Fische zu fangen. Als er das ausgeworfene Netz emporziehen wollte, vermochte er's nicht, wie sehr er auch zog und zog. Endlich, nach vieler vieler Mühe, gelang es ihm, und da fand er ausser einigen kleinen Fischen einen mächtig grossen eisernen Schlüssel im Netze. Während er nun den betrachtete, erschien vor ihm ein gewaltiger, hochgewachsener Mann und sprach: 'Der Schlüssel, den du gefunden, gehört mir. Ich bin Belzebul, der Teufel oberster, und wohne in der Hölle, wo es ungeheuer grosse Schätze gibt und die Menschen glücklich sind. Nimm den Schlüssel jetzt zu dir und komm damit am Dinstag um die zwölfte Stunde wieder ans Gestade; du wirst da eine Thür vor dir sehen, die öffne, tritt ein und besuche mich.' Nach diesen Worten verwandelte er sich in eine dichte Rauchwolke und verschwand in der Erde. Der Alte kehrte nach Hause zurück, und bei Tisch, während er mit seinen Kindern die kleinen Fische verzehrte, die er gefangen hatte, zeigte er ihnen den grossen Schlüssel, erzählte sein Abenteuer und setzte hinzu, dass er nächsten Dinstag ihnen Schätze mitbringen werde. Die Tage verstrichen, und der Dinstag kam heran. Der Fischer nahm zur angegebenen Stunde den Schlüssel und ging ans Gestade. Hier sah er eine grosse Thür vor sich, eine Meile hoch, sagt man, und dritthalb Meilen breit. Er öffnete sie mit dem grossen Schlüssel und trat in den unbekannten Raum ein. Da drinnen sass ein Greis, dem hing die Nase vor Alter fast bis auf die Füsse hinab, und seine Brauen und sein weisser Bart waren so lang, dass sie ihn beinahe ganz verhüllten. In seiner Rechten hielt er eine Sichel, in der Linken hatte er einen Rosenkranz, dessen Knöpfe er zählte, das waren Tausende und aber Tausende; in jedem Augenblick gab er ein Kind von sich und verzehrte es wieder. Als dieser den Fischer bemerkte, sprach er zu ihm in einem tiefen und ernsten Tone: 'Zu wem willst du und wen suchst du? Viele sind hier herein gekommen, aber nicht wieder hinaus. Hat dich der Zufall hergeführt oder dein eigner Wunsch?' - 'Ich will deinen Herrn sprechen,' antwortete der Fischer, 'den mächtigen Herrn.' - 'Da bist du zu bedauern, mein Sohn, denn vieles, vieles wirst du zu überstehen haben, bis du zu ihm gelangst. Doch jetzt, da du einmal eingetreten, ist's allerdings das beste, dass du weiter gehst. Aber ich will dir einige Vorschriften geben. Du hast diesen Weg hier einzuschlagen. Auf dem wirst du an eine grosse Lapsánastaude kommen, die wird auf der einen Seite von einem sehr starken, stolzen Löwen, auf der andren von einer abgemagerten, vor Hunger fast zusammenbrechenden Wölfin bewacht. Auch wirst du ringsum Stimmen vernehmen, die dich erschrecken und dir zurufen werden, deine Familie sei zu Grunde gegangen, und dergleichen Schlimmes mehr. Zage aber nur nicht und gib keine Antwort, wenn man dich bei deinem Namen ruft! Wenn du nun an der Staude vorübergegangen bist, kommst du an eine Treppe, da steig' hinab, so wirst du den Gesuchten finden.' - Der Fischer that, wie ihm der Alte vorgeschrieben, und traf Belzebul allein in seiner Behausung an. Der stand auf und fragte ihn, ob er Töchter habe. 'Ja,' antwortete der Fischer, 'ich habe drei, und es sind Waisen.' Da befahl der Teufel einem seiner Diener, den Alten mit Schätzen zu beladen; und, als das geschehen, hiess er ihn wieder nach Hause gehen und trug ihm auf, am folgenden Tage ihm eine seiner Töchter zu bringen. Der Fischer kehrte in freudiger Stimmung nach Hause zurück. Als nun die Kinder das viele Geld sahen, das der Vater mitgebracht, da riefen sie, die Mädchen und die Jungen, durcheinander: 'Vater, kauf mir ein Tuch! Mir, Vater, eine Weste! Mir eine Mütze! Mir einen Rock!' Und am nächsten Morgen brach die älteste von den Töchtern voller Freuden mit ihrem Vater auf nach des Teufels Wohnung. Sie trafen ihn wieder allein. Nachdem der Fischer abermals aufs reichlichste mit Geld beschenkt worden war, trat er den Heimweg an, seine Tochter aber liess er dem Teufel als Weib zurück. Als nun die Mittagszeit herankam, ging Belzebul aus, gab aber vorher seiner Frau einen Menschenfuss zum Mahle. Aber diese war nicht im Stande ihn zu verzehren und warf ihn daher auf den Mist. Bei seiner Rückkehr fragte sie der Teufel, ob sie den Fuss gegessen habe. 'Ja,' gab sie zur Antwort. Da lobte er sie sehr; weil er aber ihrem Wort nicht recht traute, rief er: 'Fuss, wo bist du?' Da antwortete der Fuss: 'Auf dem Miste.' Da also der Teufel sah, dass seine Frau ihn belogen habe, gab er ihr eine Ohrfeige, und alsbald wurde sie zu Stein; darauf warf er sie in ein Gemach, wo alle die von ihm versteinerten Frauen sich befanden. Tags darauf kam der Fischer wieder, und nachdem ihm der Teufel von neuem ein Geldgeschenk gemacht, trug er ihm auf, seine zweite Tochter zu bringen. Der Alte that das, aber es ging der zweiten gerade so, wie der ersten. Endlich brachte er seine jüngste Tochter. Als er wieder weggegangen war und die Mittagszeit heranrückte, setzte Belzebul, ehe er ausging, dem Mädchen eine Menschenhand zu essen vor. Das Mädchen nahm sie und band sie sich auf den Leib. Als der Teufel zurückkehrte, fragte er es, ob es die Hand gegessen habe. 'Ja,' war des Mädchens Antwort. Da rief der Teufel: 'Hand, wo bist du?', und diese antwortete: 'Im Leibe.' Also glaubte der Teufel dem Mädchen, und nun gewann er's sehr lieb und nahm sich's zum Weibe. Weil er aber täglich ausging, sagte er seiner jungen Frau, sie könne in alle Gemächer gehen, ein einziges ausgenommen, das er ihr bezeichnete. Eines Tags nun, als ihr Mann ausgegangen war, trieb sie die Neugier, in das verbotene Zimmer zu gehen. Aber was sollte sie da erblicken! Eine Menge Frauen, darunter ihre eignen Schwestern, allesammt versteinert! Da gerieth sie in die grösste Verzweiflung. Aber auf einmal bemerkte sie, dass oben an der Wand des Zimmers geschrieben stand: 'Leben,' und darunter hing eine Flasche mit Lebenswasser. Sie nahm sie, öffnete sie und besprengte alle mit dem Wasser, und da kamen sie sämmtlich wieder ins Leben. Nun öffnete sie ihnen die Thür und entfloh mit ihnen aus des Teufels Reich.
Quelle: Bernhard Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder. Leipzig 1877. S. 122 - 125.
(Nachdruck: Hildesheim, New York, 1978)