Die Frau des Teufels (La sposa del diavolo)
Ein Königspaar hatte eine einzige Tochter, die war sehr schön und hielt viel auf Putz und schöne Kleider. Einmal fand sie eine Laus und da sie nicht wusste, was das für ein Thier [Tier] sei, lief sie zur Mutter und fragte sie. Die Mutter belehrte sie und sprach: "Sperre die Laus in eine Schachtel und füttere sie. Sobald sie recht gross sein wird, lassen wir aus der Haut ein Paar Handschuhe machen, diese stellen wir aus und welcher von deinen Freiern erräth , aus welchen Thieres Haut sie gemacht seien, der soll dein Bräutigam sein."
Die Tochter befolgte, was ihr die Mutter gesagt. Das wolgefütterte eckle Thier wuchs so, dass es aus einer Schachtel immer in eine grössere gebracht werden musste. Als es gross genug war, wurden aus der Haut Handschuhe gemacht und diese öffentlich ausgehängt mit der Bestimmung, wer errathe, aus welcher Haut sie gemacht seien, werde der Bräutigam der königlichen Prinzessin sein. Viele Prinzen und Ritter kamen, der eine rieth dies, der andere jenes, aber keiner traf das Richtige. Endlich kam ein Unbekannter, der errieth es und hielt Hochzeit mit der Prinzessin; darauf führte er sie weit weg in sein Haus. Es war aber kein anderer als der Teufel.
Der Teufel musste bald darauf verreisen; vorher übergab er seiner Frau alle Schlüssel des Hauses und erlaubte ihr alle Zimmer zu öffnen mit Ausnahme, eines einzigen. Als er fort war, konnte sie einmal ihre Neugierde nicht überwinden und öffnete das Zimmer. Da sah sie die Hölle und in den Flammen stacken ihr Grossvater und ihre Grossmutter und streckten ihr jammernd die Hände entgegen. Fast wäre sie auch hinabgefallen, doch hatte sie noch die Kraft zurückzuspringen und die Thüre wieder zu schliessen. Aber der Schrecken machte sie krank und sie musste das Bett hüten; denn es war ihr nun klar geworden, dass sie die Frau des Teufels sei. Als sie wieder im Genesen war und eines Tages allein in ihrem Zimmer sass, pickte eine ihr wolbekannte Taube aus dem väterlichen Hause au ihr Fenster. Schnell schrieb sie auf einen Zettel die Worte: "Vater, rette mich, ich bin die Frau des Teufels!" und hängte ihn der Taube an den Hals. Diese flog hinwog und kehrte nach einigen Tagen wieder mit einem Zettel zurück, worauf ihr Vater geschrieben hatte, sie solle Tag und Nacht wol Acht geben, er werde kommen, um sie zu retten.
In der That zog auch der König mit vielen tapfern Männern aus um das Haus des Teufels aufzusuchen und seine Tochter zu befreien; aber er wusste auch, wie schwer dieses Werk sei und verzweifelte fast am Gelingen. Auf dem Wege begegnete er einem Manne, der starr in die Ferne sah. "Was schaust du denn?" fragte er ihn. "Ich sehe so scharf", sagte der andere, "dass ich selbst bis in das Haus des Teufels sehe.''' "Was macht denn des Teufels Frau?" fragte der König hastig. "Sie sitzt allein in ihrem Zimmer und weint" — "So komm mit mir", sagte der Kö|iig, "ich will dich gut bezahlen." Sie gingen und begegneten einem andern Manne, der stand ruhig und horchte. "Was horchst du denn?" fragte der König und der Angeredete enwiederte: "Ich höre so scharf, dass ich selbst das erhorche, was in dem Hause des Teufels vorgeht." "Was macht denn des Teufels Frau?" fragte der König hastig. "Ich höre sie seufzen!" antwortete der andere. "So komm mit mir", sagte der König, "du sollst einen guten Lohn haben." Sie gingen und begegneten einem dritten, der war so stark, dass er im Stande war, die grössten und schwersten Thore fast geräuschlos aufzuheben. Der König nahm ihn in Dienst und fand noch einen vierten, der hatte Gesicht, Gehör und Kraft nur wie gewöhnliche Menschenkinder, dagegen konnte er so leise gehen und schleichen, dass ihn selbst der mit dem scharfen Gehöre kaum hörte. Auch dieser war willkommen. Sie gingen und der Scharfsehende wies ihnen den kürzesten und geradesten Weg; als sie aber zum Hause des Teufels kamen, war es schon Nacht. Da konnte der Sehende nichts mehr machen, aber der Hörende horchte und sagte: "Der Teufel" — dieser war inzwischen zurückgekommen und war sehr müde — "liegt in seinem Bette und schnarcht, seine Frau aber ist wach und seufzt." Nun hob der Starke die grossen Thore des Hauses aus den Angeln, aber ganz ohne Geräusch ging es dabei doch nicht ab. "Still, still", sagte der Hörende, "denn der Teufel ist im Schlafe ein wenig gestört worden und hat sich auf die andere Seite gelegt. — So", fügte er nach einer kleinen Weile hinzu, "jezt schnarcht er wieder und liegt in tiefem Schlafe." Nun ging der Schleichende hinein, holte die Königstochter und eilig flohen sie wieder hinweg, während der Teufel, wie der Hörende von Zeit zu Zeit versicherte, die ganze Nacht in festem Schlafe lag und schnarchte. Am Morgen waren sie schon zu Hause; der erfreute König aber hielt den vier Rettern Wort und machte sie reich und glücklich für ihr ganzes Leben. —
Quelle: Märchen und Sagen aus Wälschtirol,
Ein Beitrag zur deutschen Sagenkunde, gesammelt von Christian Schneller,
Innsbruck 1867, Nr. 31, Seite 86
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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