Zwei für Eine (Due per una)
Ein armer Bursche verliess sein Aelternhaus [Elternhaus], wo er nichts zu nagen und zu beissen hatte und ging in die Welt. Wie er so auf der Strasse dahin schlenderte, und über sein Elend nachdachte, begegnete er einem vornehmen Herrn, der redete ihn an und fragte, wohin er gehe. "Weiss ich's?" erwiederte der Bursche, "bin ich doch arm wie ein Stein; da will ich denn mein Glück in der Welt versuchen, da. gibt es grosse Herrn, wie gewiss Ihr einer seid und ich hoffe Barmherzigkeit oder einen Dienst zu finden. "Ganz wol [wohl] ", sagte der Herr, "ich kann dir helfen und will es auch, aber nur unter einer Bedingung. Du sollst dein ganzes Leben Geld und Gold haben, so viel du wünschest; du darfst dich jedoch drei Jahre und drei Tage lang weder rasiren noch waschen. Du sollst es auch sogleich wissen, ich bin der Teufel; wenn du nur einen Glockenschlag früher, als die drei Jahre und drei Tage um sind, dich wäschest oder rasirest, so bist du mein. Willst du?" Der Bursche besann sich gar nicht lange und schlug ein.
Nun hatte er stets Geld in der Tasche, lebte lustig in Saus und Braus und warf mit Goldstücken und Thalern um sich, als ob es nur Sand wäre. Er zog von Stadt zu Stadt; inzwischen wuchs sein Bart und sein Gesicht sah eben aus, wie sich's leicht denken lässt, aber er hatte Geld und wer Geld hat, findet überall lustige Freunde und gute Aufnahme. Auf ein Bischen Sauberkeit im Innern und im Aeussern kommt es ja bei den lockern Kameraden nicht an.
Zwei Jahre waren schier verflossen; da dachte er daran, sich nun auch eine Frau zu suchen. Er lernte drei schöne aber arme Schwestern kennen, ging hin, brachte ihnen kostbare Geschenke und rückte am Ende bei der ältesten mit einem Heiratsantrage heraus. Aber sie that ganz entrüstet und sagte; "Wie kannst du mit einem solchen Antrage zu mir kommen, du unsauberer Sch ....? Eckelt mich ja schon vor dir, wenn ich dich von weitem ansehe!'' Und als er sagte, er sei reich und habe Geld, so viel sie wolle, beschimpfte sie ihn noch mehr und ging von ihm fort. Bei der zweiten erging es ihm auch nicht besser. Die jüngste aber dachte sich: "Er ist wol unsauber, aber er hat ja Geld in Menge" und sie that nicht spröde; endlich gab sie ihm sogar die bestimmte Zusage. Die zwei ältern Schwestern waren über sie sehr ungehalten und machten ihr täglich Vorwürfe; sie tröstete sich aber mit den Geschenken, die er ihr brachte und liess ihre Schwestern und die Leute reden, was sie wollten. Einmal brachte er ihr ein Schmuckkästchen, verbot ihr aber es aufzumachen und sie überwand auch ihre Neugierde und verschloss das Kästchen in der Schublade ihres Schreines.
Endlich waren die drei Jahre und drei Tage um; da wusch er sich mit Seife und liess sich den Bart abnehmen. Wie wol er sich fühlte, als er das ewige Prickeln und Jucken los war und doch Geld genug hatte für sein Leben! "Nun ging er wieder zu den drei Schwestern, die ihn nicht erkannten und als er mit der jüngsten vertraulich that und von der baldigen Heirat sprach, ward sie zornig und sagte: "Wer bist du denn, dass du mit mir so reden darfst? Ich habe ja schon einen Bräutigam!" "Das bin ja ich!" erwiederte er lachend und als sie es nicht glauben wollte, mahnte er sie an das Schmuckkästchen und sagte ihr genau, was darin sei. Da holte sie es und fand alles, wie er es angegeben hatte. Nun war sie sehr froh und schon nach wenigen Tagen fand die Hochzeit statt.
Nun denkt sich der Leser und freut sich schon, dass Einer diesmal den Teufel betrogen und um eine Seele gebracht hat. Aber der alte Erzschelm ist nicht immer so dumm, wie man glaubt, er rechnet pfiffiger und klüger, als die Menschenkinder es sich einfallen lassen und hatte diesmal seine Rechnung mit doppelter Kreide geschrieben. Denn da waren die beiden ältern Schwestern der glücklichen Braut, die jammerten und weinten laut, dass sie das Glück so spröde von sich gestossen hatten und weil sie vor Aerger und Galle nicht mehr wussten, was sie thun sollten, so gingen sie in der Hochzeitnacht auf den Dachboden des Hauses und erhängten sich. Zu derselben Stunde aber erschien der Teufel vor dem Fenster der Brautkammer und rief dem Bräutigam zu: "Du hast gemeint, ich sei um deine arme Seele betrogen, aber nun hab' ich zwei für Eine bekommen!" Riefs und fuhr mit den beiden Seelen in den Klauen feurig durch die Luft von dannen. —
Quelle: Märchen und Sagen aus Wälschtirol,
Ein Beitrag zur deutschen Sagenkunde, gesammelt von Christian Schneller,
Innsbruck 1867, Nr. 33, Seite 90
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Helene Wallner, 2007.
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