Der Herr Peter
Es waren einmal ein paar arme Eheleute, die hatten drei Söhne; wie die beiden ältesten hießen, weiß ich nicht, aber der jüngste hieß Peter.
Als die Eltern gestorben waren und die Kinder sich in die Erbschaft teilen wollten, war nichts da als ein Kochtopf, eine Brotplatte und eine Katze. Der älteste, der das Beste haben wollte, nahm den Kochtopf, "wenn ich den ausleihe, bleibt doch immer etwas für mich auszuschrappen darin," sagte er. Der zweite nahm die brotplatte. "Wenn ich die ausleihe, bleibt doch immer etwas abzukKatzen dran," sagte er. Für den jüngsten blieb weiter nichts übrig als die Katze, "wenn ich die ausleihe, bekomme ich nichts dafür," sagte er; "gibt man ihr auch ein wenig Milch, so schleckt sie die doch selbst auf." Gleichwohl nahm er doch die Katze, denn es jammerte ihn, sie umkommen zu lassen.
Hierauf wanderten die Brüder fort in die Welt, um ihr Glück zu versuchen, und jeder zog seine Straße. Als der jüngste eine Weile fortgegangen war, sagte die Katze: "Es soll dir nicht leid sein, daß du mich nicht in der alten Hütte hast umkommen lassen, sondern mich mit dir genommen hast. Ich werde in den Wald gehen und allerlei Getier greifen, das sollst du zu dem König auf das Schloß bringen, das du dort siehst, und sagen, du brächtest ihm ein kleines Geschenk. Wenn er dich dann fragt, von wem das ist, so sollst du sagen: ,Das ist von dem Herrn Peter’". Hierauf lief die Katze in den Wald und kam bald mit einem lebendigen Renntier zurück, dem war sie auf den Kopf gesprungen, hatte sich zwischen das Geweih gesetzt und gesagt: "Gehst du nicht geradeswegs zu des Königs Schloß, so Katze ich dir die Augen aus!" Darum wagte das Renntier auch nicht, anders zu tun, als die Katze ihm gesagt hatte.
Als Peter nun nach dem Schlosse kam, ging er mit seinem Renntier in die Küche und sagte: "Ich komme, um dem König ein kleines Geschenk zu überbringen, wenn er es nicht verschmäht." Als man dem König das meldete, kam er sogleich in die Küche, und als er das große, schöne Renntier erblickte, war er darüber außerordentlich erfreut. "Mein lieber Freund," sagte er, "wer ist's, der mir ein so schönes Geschenk sendet?" — "Oh, das ist der Herr Peter," sagte der Bursch. "Der Herr Peter?" fragte der König; "wo wohnt er doch noch, dieser Herr Peter?" Denn es deuchte ihn eine Schande, daß er einen solchen Mann nicht kennen sollte. Aber der Bursch wollte es ihm nicht sagen, er dürfe es nicht wegen seines Herrn, sagte er. Darauf gab der König ihm ein gutes Trinkgeld und bat ihn, seinen Herrn von ihm zu grüßen, und er ließe sich auch vielmals bedanken. Den andern Tag lief die Katze wieder in den Wald, sprang einem Hirsch auf den Kopf, setzte sich ihm zwischen die Augen und nötigte ihn ebenfalls durch Drohungen, nach des Königsschloß zu gehen, als Peter in die Küche trat, sagte er wieder, er käme, um dem König ein kleines Geschenk zu überbringen, wenn er es nicht verschmähen wolle. Der König freute sich über den Hirsch noch mehr als über das Renntier und fragte, wer es denn wäre, der ihm ein so schönes Geschenk sende. "Das ist der Herr Peter," sagte der Bursch. Ms aber der König wissen wollte, wo der Herr Peter wohne, bekam er wieder dieselbe Antwort wie den vorigen Tag, und diesmal gab er Peter ein noch größeres Trinkgeld.
Den dritten Tag kam die Katze mit einem Elentier an. Als Peter in die Küche des Schlosses trat und sagte, er brächte dem König ein kleines Geschenk, ward es dem König sogleich angesagt. Als dieser nun herauskam und das große, schöne Elentier erblickte, war er darüber so voller Freude, daß er nicht wußte, auf welchem Bein er stehen wollte, und diesmal gab er Peter ein noch weit größeres Trinkgeld, es waren gewiß hundert Taler. Nun wollte aber der König durchaus wissen, wo der Herr Peter wohnte, und forschte und fragte auf alle mögliche weise. Aber Peter sagte, er dürfe es nicht sagen, denn sein Herr hätte es ihm streng verboten. "So sage denn dem Herrn Peter, ich ließe ihn bitten, mich zu besuchen," sagte der König. "Ja," sagte der Bursch, er wollt's wohl bestellen.
Als Peter darauf zu der Katze kam, sagte er: "Na, du hast mich in eine schöne Patsche gebracht! Nun will der König, ich soll ihn besuchen, und ich habe ja nichts weitem auf den Leib zu ziehen als die Lumpen, worin ich gehe und stehe." — "Ah, sei deswegen nicht bekümmert!" sagte die Katze, "in drei Tagen sollst du Pferde und wagen haben und so schöne Kleider, daß das Gold heruntertröpfelt, dann kannst du den König besuchen. Aber was du auch beim König siehst, so mußt du immer sagen, du hättest es noch weit schöner und prächtiger zu Hause; das darfst du nicht vergessen!" — "Nein," sagte Peter, er wollt's nicht vergessen.
Als nun die drei Tage um waren, kam die Katze mit Pferden und wagen und Kleidern und allem, was Peter gebrauchte. Das alles aber war so prächtig, daß niemand dergleichen gesehen hatte. Nun fuhr Peter nach dem Schloß, und die Katze lief hinterher. Der König empfing den Herrn Peter sehr freundlich; aber was er ihm auch zeigen und anbieten mochte, so sagte Peter doch immer: Ja, das wäre alles recht gut, aber er hätt's zu Hause doch noch weit schöner und prächtiger. Das wollte nun dem König gar nicht in den Sinn, aber Peter blieb dabei. Zuletzt ward der König so verdrießlich, daß er sich nicht langer halten konnte. Nun will ich mit dir reisen," sagte er, "und sehen, ob es wahr ist, daß du alles so viel besser und schöner hast als ich. Aber wehe dir, wenn du lügst!"
"Ja, nun hast du mich schön in die Tinte gebracht!" sagte Peter zu der Katze; "nun will der König mit mir reisen nach meinem Schlosse; aber das ist wohl nicht gut zu finden." — "Laß dich das nicht kümmern!" sagte die Katze; "ich werde voranlaufen; folge du mir dann nur immer nach!" Darauf reisten sie fort, die Katze voran, danach Peter, der hinter ihr her fuhr, und dann der König mit seinem ganzen
Hofstaat.
Als sie nun ein gutes Ende gefahren waren, Kamen sie zu einer großen Herde Schafe, die hatten Wolle, so lang, daß sie an der Erde schleppte, "willst du sagen, daß diese Schafherde dem Herrn Peter gehört, so gebe ich dir diesen silbernen Löffel," sagte die Katze zu dem Hirten - den Löffel aber hatte sie aus dem Königsschloß genommen -. Ja, das wallte der hirte wohl sagen. Als nun der König gefahren kam, rief er: "Ei, ei! Hab' ich doch nie eine so große schöne Schafherde gesehen! Wem gehört die, mein kleiner Bursch?" — "Die gehört dem Herrn Peter," sagte der Hirt.
Nach einer Weile kamen sie zu einer schönen großen Herde scheckiger Kühe, die waren so fett, daß sie glänzten, "willst du sagen, daß diese Herde dem Herrn Peter gehört, wenn der König dich danach fragt, so gebe ich dir diesen silbernen Handzuber," sagte die Katze zu der Dirne, die das Vieh trieb - den Zuber aber hatte die Katze auch aus dem Schloß mitgenommen —. "Ja, recht gern!" sagte die Dirne. Als nun der König gefahren kam, wunderte er sich über die große schöne Herde: eine so schöne Viehherde, meinte er, hätte er noch nie gesehen. Und als er die Dirne fragte, wem das Vieh gehöre, sagte sie: "Oh, das gehört alles dem Peter!"
Ein Ende weiterhin trafen sie eine große schöne Koppel Pferde an. Es waren die schönsten Pferde, die man sehen konnte; alle waren groß und wohlgenährt, und von jeder Farbe waren sechs: rote, falbe und schwarze. "Willst du sagen, daß diese Pferdetrift dem Herrn Peter gehört, wenn der König dich danach fragt, so geb' ich dir diesen silbernen Becher," sagte die Katze zu dem Hirten - den Becher hatte sie auch aus dem Schloß mitgenommen -. Ja, der Bursch wollt's sagen. Als nun der König ankam, war er ganz verwundert über die große schöne Pferdetrift; denn solch stattliche Pferde hatte er noch nie gesehen, sagte er. Und als er den Burschen fragte, wem alle die roten und falben und schwarzen Pferde gehörten, sagte der: "Die gehören alle dem Herrn Peter."
Als sie nun ein gutes Ende weiter gereist waren, kamen sie an ein Schloß. Die erste Pforte war von Messing, die zweite von Silber und die dritte von Gold. Das Schloß selbst war von Silber und so blank, daß einem die Augen weh taten, wenn man es ansah, denn es schien gerade die Sonne darauf, als sie ankamen. Die Katze hatte die Gelegenheit ersehen, Peter unbemerkt ins Ohr zu flüstern, er solle sagen, das wäre sein Schloß. Drinnen im Schloß aber war's noch viel prächtiger als außen; alles war hier von Gold, sowohl die Stühle als die Tische und die Bänke. Als nun der König ringsumher gegangen war und alles genau betrachtet hatte, von unten und von oben, da ward er ganz beschämt. "Ja, der Herr Peter hat alles weit prächtiger als ich," sagte er-"es hilft nicht, daß man es leugnet," und damit wollte er wieder fortreisen. Aber Peter bat ihn, er möchte doch bleiben und bei ihm zu Abend essen. Na, das tat denn der König auch; aber sauer sah er die ganze Zeit.
Während sie nun bei Tische saßen, kam der Troll gegangen, dem das Schloß gehörte, und klopfte an die Pforte, "wer ist es, der mein Essen verzehrt und meinen Met trinkt, als wären ungebetene Gäste drinnen?" rief er. Als die Katze das hörte, lief sie sogleich hinaus, trat an die Pforte und sprach: "wart einmal! Ich will dir erzählen, wie der Bauer es mit dem Winterkorn macht." Und darauf erzählte sie dem Trollen sehr weitläufig vom Winterkorn: wie zuerst der Bauer seinen Acker pflüge, danach ihn dünge und dann wieder pflüge, und so fort, bis plötzlich die Sonne aufging *). "Sieh dich mal um, dann wirst du hinter dir die schöne, herrliche Jungfrau erblicken!" sagte die Katze zum Trollen. Da sah dieser sich um, erblickte die Sonne und barst mitten auseinander.**)
"Nun gehört dir alles," sagte darauf die Katze zu Peter; "jetzt aber sollst du mir den Kopf abschlagen; as ist der einzige Lhn, den ich für die Dienste verlange, die ich dir getan habe." Das wollte aber Peter durchaus nicht. "Wenn du es nicht tust," sagte die Katze, "so kraze ich dir die Augen aus." Da konnte Peter nicht anders, sondern mußte tun, wie die Katze wollte, so sauer es ihm auch ankam, und mit einem Streich hieb er ihr den Kopf vom Rumpfe. Da stand plötzlich vor ihm die schönste Prinzessin, die man je gesehen hat, und Peter wurde augenblicklich ganz in sie verliebt. "Alle diese Herrlichkeit gehörte früher mir," sagte die Prinzessin; "aber der Troll hatte mich verzaubert, so daß ich als Katze in dem Hause deiner Eltern sein mußte. Du aber hast mich erlöst. Nun kannst du tun, was du willst, mich zu deiner Gemahlin nehmen oder nicht; denn nun bist du König über das ganze Reich."
Der nicht "nein" sagte, das war Peter, und es ward nun eine Hochzeit gehalten und ein Gastmahl, das dauerte ganze acht Tage lang, länger aber war ich nicht bei dem Herrn Peter und der jungen Königin.
*) In Norwegen sind die Nächte um die Mitte des Sommers sehr kurz.
**) Nach der nordischen Göttersage werden Riesen und Zwerge in Steine verwandelt, sobald die Sonne sie bescheint (vgl. Bl. Bdch. 8, S. 33-35).
Quelle: Norwegische Volksmärchen, Peter Asbjörnsen und Jörgen Moe, o.J., S. 37
© digitale Version SAGEN.at