Von dem Schmiede, den der Teufel nicht in die Hölle lassen wollte
In jenen Tagen, da unser Herr Christus und Sankt Petrus noch auf Erden wandelten, kamen sie einmal zu einem Schmiede. Dieser hatte mit dem Teufel einen Vertrag geschlossen, daß er ihm nach sieben Jahren angehören solle, wogegen er in dieser Zeit ein Meister über alle Meister in der Schmiedekunst sein sollte, und den Vertrag hatte sowohl der Schmied als auch der Teufel, jeder mit seinem Namen, unterschrieben. Darum hatte der Schmied auch mit großen Buchstaben über die Tür seiner Schmiede die Worte setzen lassen: "Hier wohnt der Meister über alle Meister." Als nun der Herr Christus kam und die Schrift über der Tür sah, ging er hinein. "Wer bist du?" fragte er den Schmied, "lies, was über der Tür steht," antwortete der Schmied,' "kannst du aber vielleicht nicht lesen, so mußt du warten, bis einer kommt, der es dir vorliest."
Ehe der Heiland ihm noch antworten konnte, kam ein Mann mit einem Pferde daher und bat den Schmied, es ihm zu beschlagen. "Willst du mir erlauben, daß ich es beschlage?" sagte der Herr Christus. "Meinetwegen versuch es," sagte der Schmied; "denn wenn du es auch noch so verkehrt anfängst, so bin ich doch imstande, es wieder gutzumachen." Da ging der Heiland zu dem Pferde hinaus und nahm ihm das eine Vorderbein ab, legte es in die Esse und machte das Hufeisen glühend; darauf nahm er Nägel und Hammer, schlug die Nägel auf und setzte dann dem Pferde das Bein wieder unbeschädigt an. AIs er mit dem ersten fertig war, nahm er ihm das andere Vorderbein ab und machte es damit ebenso. Und als er auch das wieder an gesetzt hatte, nahm er die beiden Hinterbeine, erst das rechte und dann das linke, legte sie in die Esse, machte die Hufeisen glühend, schärfte die Ecken und Kanten, schlug die Nägel auf, und darauf setzte er dem Pferde die Beine wie der an. Der Schmied stand währenddessen dabei und sah ihm zu. "Du bist doch kein so ungeschickter Schmied!" sagte er. "Meinst du? entgegnete der Heiland.
Kurz darauf kam die Mutter des Meisters in die Schmiede und bat den Schmied, er möchte nach Haus kommen und zu Mittag essen; sie war schon sehr alt, hatte einen ganz krummen Rücken und Runzeln im Gesicht und konnte sich nur noch mit genauer Not fortschleppen. "Gib jetzt acht auf das, was du siehst!" sagte der Heiland, nahm die Frau, legte sie in die Esse und schmiedete eine schone Jungfrau aus ihr. "Ich sage, wie ich gesagt habe, du bist gar kein so übler Schmied," meinte der Meister- "es steht zwar über meiner Tür: .Hier wohnt der Meister über alle Meister, aber trotzdem sag' ich rundheraus: Man lernt, solange man lebt." Und damit ging er ins Haus und aß zu Mittag.
Als er wieder in die Schmiede zurückgekommen war, kam ein Mann geritten, der wollte sein Pferd beschlagen lassen. "Das soll bald gemacht sein!" sagte der Schmied; "ich habe jetzt gerade eine neue Art und Weise zu beschlagen gelernt; die ist gut anzuwenden, wenn die Tage kurz sind." Und darauf begann er dem Pferde die Beine abzubrechen und schnitt und brach so lange, bis er sie alle ab hatte; "denn", sagte er, "ich weiß nicht, wozu das langweilige hinziehen mit dem einen Bein nach dem andern dienen soll." Dann legte er die Beine in die Esse, so wie er's gesehen hatte, legte tüchtig Kohlen auf und ließ die Schmiedejungen hurtig den Blasebalg ziehen. Aber es ging, wie man sich's wohl denken kann: die Beine verbrannten, und der Schmied mußte das Pferd bezahlen. Das wollte ihm nun freilich nicht gefallen.
In diesem Augenblick ging ein armes altes Weib vorüber, und da dachte er: "Gelingt das eine nicht, so gelingt wohl das andere." Darauf nahm er das Weib, legte es in die Esse, und so sehr es auch weinte und um sein Leben bat, es half ihm alles nichts. "Du verstehst dein eigenes Bestes nicht," sagte der Schmied; "in einem Augenblick sollst du wieder ein junges Mädchen sein, und trotzdem will ich für meine Mühe keinen Schilling von dir haben." Es wäre aber mit dem armen Weibe nicht besser gegangen als mit den Pferdebeinen, wenn unser Herr Christus sich nicht ihrer erbarmt hätte.
"Das war schlecht gemacht," sagte der Heiland. "Oh, es wird niemand nach dem alten Weibe fragen," sagte der Schmied; "aber schändlich ist es vom Teufel, daß er nicht besser sein Wort hält, wie's über der Tür steht!" — "Wenn ich dir nun drei Wünsche gewährte," sagte der Heiland, "was würdest du dir dann wünschen?" — "Versuch es," sagte der Schmied, "dann wirst du's erfahren." Da versprach ihm der Heiland die Erfüllung dreier Wünsche, und nun sagte der Schmied: "Zu allererst wünsche ich, daß der, den ich auf jenen Birnbaum klettern heiße, so lange darauf sitzenbleiben muß, bis es mir gefällt, ihn wieder herunterzulassen. Fürs zweite wünsche ich, daß der, den ich in meinen Lehnstuhl sich niedersetzen heiße, so lange darin sitzenbleibe, bis ich selbst ihm erlaube, daß er wieder aufstehen darf. Und endlich wünsche ich, daß der, der in meinen stählernen Geldbeutel kriecht, den ich in der Tasche habe, so lange darin bleibe, bis ich ihm die Erlaubnis gebe, wieder herauszukriechen." — "Du hast gewünscht wie ein törichter Mann," sagte Sankt Petrus; "zuerst und vor allen Dingen hättest du dir Gottes Gnade und Freundschaft wünschen sollen!" — "So hoch hinaus mochte ich mich mit meinen Wünschen nicht versteigen," entgegnete der Schmied. Hierauf nahmen unser Herr Christus und Sankt Petrus Abschied von ihm und gingen weiter.
Die Zeit verstrich langsam, aber sicher, und endlich war die Frist um, und der Teufel kam und wollte den Schmieb holen, wie es in dem Vertrage bestimmt war. "Bist du fertig?" fragte der Teufel und steckte die Nase zur Türe hinein. "Ach," antwortete der Schmied, "ich muß notwendig erst noch einen Kopf an diesen Nagel schlagen. Steig du indessen auf den Birnbaum und pflück dir eine Birne denn du bist wohl hungrig und durstig von der Reise. Der Teufel dankte ihm für das freundliche Anerbieten und kletterte auf den Baum. "Ja, wenn ich recht bedenke, sagte der Schmied, "so krieg' ich in den nächsten vier Jahren den Kopf an diesem Nagel noch gar nicht zurecht, denn das Eisen ist so verteufelt hart, herunter darfst du aber in dieser Zeit nicht; dafür magst du so lange da oben sitzen und dich ausruhen." Der Teufel bat und flehte wie ein Bettelbube, der Schmied möchte ihn doch wieder herunterlassen; aber all sein Bitten und Flehen war vergebens. Zuletzt mußte er dem Schmied versprechen, er wolle nicht eher wiederkommen, als bis die vier Jahre um wären. "Ja, dann kannst du wieder herabsteigen," sagte der Schmied.
Als nun die Zeit um war, kam der Teufel abermals, um den Schmied zu holen. "Nun hast du wohl endlich den Kopf an dem Nagel fertig?" sagte er. "Ja, den Kopf hab' ich fertig," versetzte der Schmied; "aber trotzdem kommst du mir noch ein ganz klein wenig zu früh, denn ich habe die Spitze noch nicht geschärft. So hartes Eisen hab' ich noch nie zuvor geschmiedet. Während ich nun die Spitze an dem Nagel schärfe, kannst du dich ein wenig auf meinen Lehnstuhl setzen und dich ausruhen; denn du bist wohl müde von der Reise, wie ich mir denken kann." — "Besten Dank für das freundliche Anerbieten!" sagte der Teufel und setzte sich in den Lehnstuhl. Kaum aber hatte er sich niedergesetzt, so sagte der Schmied: "wenn ich recht bedenke, so krieg' ich hie Spitze unter vier Jahren gar nicht geschärft. So lange magst du nun sitzenbleiben und dich ausruhen!" Der Teufel bat anfangs gar höflich, der Schmied möchte ihn doch wieder freilassen, und als alles Bitten nichts half, fing er an zu drohen. Aber der Schmied entschuldigte sich und sagte, das Eisen trüge die Schuld, weil es so verteufelt hart wäre, und dann tröstete er den Teufel damit, daß er auf dem Lehnstuhl ja so bequem und gemütlich säße; er solle sich nur die Zeit nicht lang werden lassen, denn nach vier Jahren wolle er ihn auf die Minute freilassen. Es war nun kein anderer Rat, der Teufel mußte versprechen, den Schmied nicht eher holen zu wollen, als bis die vier Jahre um wären. Als er ihm das versprochen hatte, sagte der Schmied: "Ja, dann darfst du wieder aufstehen," und der Teufel machte sich — hast du nicht gesehen! — auf und davon.
Nach vier Jahren kam der Teufel wieder, um den Schmied zu holen. "Nun bist du wohl endlich fertig," fragte er, indem er die Nase zur Tür hereinsteckte. "Fix und fertig!" antwortete der Schmied' "jetzt kann's losgehen, wann du willst. Aber", fügte er hinzu, "da ist noch eins, worüber ich mir oft den Kopf zerbrochen habe. Ist es wirklich wahr, was die Leute sagen, daß du dich so klein machen kannst, wie du willst?" — "Freilich ist es wahr!" versetzte der Teufel. "Ah, dann könntest du mir wohl den Gefallen tun und in diesen stählernen Beutel kriechen und zusehen, ob im Boden kein Loch ist," sagte der Schmied "ich bin so bange, daß ich mein Reisegeld daraus verliere." — "Recht gern," versetzte der Teufel, machte sich ganz klein und kroch in den Beutel. Aber kaum war er darin, so machte der Schmied den Beutel auch wieder zu. "Er ist überall ganz und dicht," sagte der Teufel im Beutel. "Na, das ist nur gut," versetzte der Schmied; "aber besser ist's vorbedacht als nachbedacht; darum will ich der Sicherheit halber den Beutel lieber ein wenig schweißen." Und damit legte er den Beutel in die Esse und machte ihn glühend. "Au, au! Bist du toll?" schrie der Teufel; "weißt du denn nicht, daß ich drinnen bin?" — "Ich kann dir nicht helfen," sagte der Schmied- "ein altes Sprichwort sagt: Man muß das Eisen schmieden, solange es warm ist." Und damit nahm er seinen großen Hammer, legte den Beutel auf den Amboß und schlug zu, so fest er konnte. "Nu, au!" schrie der Teufel im Beutel; "laß mich doch nur hinaus, so will ich auch nimmermehr wiederkommen!" — "Ja, ich glaube, jetzt ist er genug geschweißt," sagte der Schmied; "so magst du denn wieder herauskriechen." Damit machte er den Beutel auf, und der Teufel eilte in solcher Hast davon, daß er sich nicht einmal umsah.
AIs aber einige Zeit vergangen war, dachte der Schmied, daß es doch wohl töricht von ihm gewesen wäre, sich den Teufel zum Feinde zu machen; "denn", dachte er, "sollte ich nun nicht in den Himmel kommen, so könnte ich Gefahr laufen, obdachlos zu bleiben, da ich mich mit dem Herrn der Hölle überwolfen habe. Darum ist's besser, ich versuche, je eher, je lieber, entweder in die Hölle oder in den Himmel zu kommen, damit ich doch weiß, woran ich bin." Damit nahm er seinen großen Hammer auf den Nacken und machte sich auf den Weg.
Als er nun eine Strecke gegangen war, kam er an einen Kreuzweg, wo die Wege, die zum Himmel und zur Hölle führen, sich teilten. Da traf er mit einem Schneidergesellen zusammen, der mit seinem Bügeleisen in der Hand langsam dahintrippelte. "Guten Tag!" sagte der Schmied; "wohin geht die Reise?" — "Nach dem Himmel," sagte der Schneider; "wenn ich bloß hineinschlüpfen könnte! — Und du?" — "Dann werden wir nicht lange Reisegefährten sein," sagte der Schmied; "ich habe gedacht, es erst in der Hölle zu versuchen; denn ich habe noch von früher her ein wenig Bekanntschaft mit dem Teufel." Darauf nahmen sie voneinander Abschied, und jeder zog seine Straße.
Aber der Schmied war ein starker, kräftiger Mann und ging weit schneller als der Schneider, und so dauerte es nicht lange, bis er vor der Höllenpforte stand. Er ließ sich von der Wache anmelden und sagen, es stände jemand draußen, der gern mit dem Teufel ein Wort sprechen möchte. "Geh hinaus und frag, wer es ist," sagte der Teufel zu der Wache, und die Wache ging hinaus. "Grüße nur den Teufel von mir," erwiderte der Schmied, "und sag ihm, es wäre der Schmied, der den Beutel hätte - er wüßte wohl -, und dann bitte ihn schön, daß er mich nur gleich hineinlassen möchte, denn ich hab' heute den ganzen Vormittag geschmiedet und dann noch den weiten Weg zurückgelegt." Als aber der Teufel den Bescheid erhielt, befahl er der Wache, die Höllenpforte mit allen neun Schlössern zu verschließen, "und dann lege ja noch das große Vorhängeschloß vor," sagte der Teufel; "denn kommt er herein, so bringt er die ganze Hölle aus Rand und Band." - "Hier ist also kein Quartier für mich!" sagte der Schmied bei sich selbst, als er hörte, wie man drinnen die Pforte verrammelte; "so muß ich es schon beim Himmel versuchen." Und damit machte er kehrt, ging zurück nach dem Kreuzweg und schlug den Weg ein, den der Schneider gegangen war.
Weil es ihn nun verdroß, daß er den weiten Weg hin und zurück vergeblich hatte machen müssen, schritt er aus, was er nur konnte, und langte gerade bei der Himmelspforte an, als sankt Petrus sie ein wenig öffnete, daß eben der dünne Schneider hineinschlüpfen konnte. Der Schmied war wohl noch sechs bis sieben Schritte von der Pforte entfernt, "hier tut Eile not," dachte er, nahm den Hammer und warf ihn in die Türspalte, just als der Schneider hineinschlüpfte. Wenn aber der Schmied nicht durch die Öffnung hineingekommen ist, so weiß ich nicht, wo er geblieben ist.
Quelle: Norwegische Volksmärchen, Peter Asbjörnsen und Jörgen Moe, o.J., S. 30
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