DER BAUER MIT DER ZAUBERSCHRIFT

Der Bauer Lipp hatte einen riesengroßen Hof und mußte viele Mägde und Knechte halten, um die Arbeit in den Ställen und auf den Feldern bewältigen zu können. Weil er aber ein arger Geizhals war, so diente ihm niemand gern. Kam dann die Erntezeit heran, reichten seine Hausleute nicht aus, und der Bauer mußte Mäher und Schnitter als Tagwerker aufnehmen. Diese waren aber nicht dumm und verlangten für ihre schwere Arbeit auch den gehörigen Lohn. Da hieß es ins Wandschränklein greifen und die ersparten Taler herausholen. Das machte den Bauern oft fuchtig. Wenn noch dazu das Getreide manchmal zu lang auf dem Feld blieb, naß wurde und verfaulte, ärgerte sich der Bauer grün und blau. Dann wetterte er, daß es mit ihm den ganzen Tag nicht auszuhalten war.

Als er sich wieder einmal in so übler Laune befand, lief er in seinem Zorn aus dem Haus, stieg auf den Berg und ging zu dem Weideplatz, wo der Halterhansl unter einer alten Eiche saß und die Herde hütete. Der Hirte wunderte sich nicht wenig, als er den reichen Bauern daherkommen sah.

"Du, Hansl", redete ihn der Bauer an, "du bist doch auch nicht auf den Kopf gefallen. Kannst du mir einen Rat geben?"

"Warum denn nicht?" antwortete der Hansl. "Recht gern, wenn's sein kann. Wo fehlt's denn, wo willst du hinaus?"

Der Bauer erzählte nun von der Not, die er mit seinem Gesinde habe. Und der Halterhansl hörte aufmerksam zu und sagte dann: "Na, so red doch einmal mit dem Teufel!"

"Was, mit dem Teufel?" fragte der Bauer erschrocken.

"Ja, Bauer, mit dem Teufel! Nur der kann dir helfen, der hat eine große Macht in der Welt - kannst es mir glauben."

"Glaub's schon", sagte der Bauer, "und ich tat schon gern einmal mit ihm reden, so viel Mut hab ich noch. Aber wo, wie und wann, Hansl, he?"

Da sagte der Hansl: "Weißt was, ich verrat es dir, Lipp, aber es muß unter uns bleiben. Ich hab in meiner Gewandtruhe daheim eine alte Zauberschrift, die hat mir ein Vetter vermacht, der sich auf allerhand Zauberkunststücke verstanden hat. Mit dieser Schrift kannst du den Teufel herbeischaffen. Wenn du mir ein gutes Wort gibst und obendrein ein paar Silbertaler, so kannst du die Zauberschrift meinetwegen haben."

"Gilt schon", rief der Bauer, "aber wie ist's mit der Zauberei?"

"Nichts leichter als das! Wenn man die Schrift durchliest, so zwischen elf und zwölf Uhr mittags, ohne vorher etwas zu essen oder zu trinken, und dann dreimal ruft:

"Schrim, schräm, schrum,
Teufel, tu dich um!"

so kommen sieben kohlschwarze Raben dahergeflogen - das sind die Teufel - und fragen: "Was gibt's denn schon wieder?" Da darfst du dich nicht lang besinnen und mußt ihnen auf der Stelle eine Arbeit schaffen. Sagst du zum Beispiel: "Mäht mir das Getreide ab!" so stürzen sie augenblicklich aufs Feld hinaus, verwandeln sich in kräftige Taglöhner und verrichten in aller Schnelligkeit die befohlene Arbeit. Jetzt heißt's aber doppelt klug sein! Während sie arbeiten, mußt du die Zauberschrift schnell wieder durchlesen, doch diesmal von hinten bis zum Anfang, und dann mußt du sagen:

"Fertig bin ich ohne Zweifel,
alsdann, Teufel, fort zum Teufel!"

Wirst du mit dem Lesen und mit dem Sprüchlein früher fertig als sie mit der Arbeit, nachher ist's gut. Wenn aber nicht, schaut's schlecht aus für dich. So, und jetzt weißt alles, Lipp, und kannst die Schrift haben. Also, was sagst du dazu?"

Der Bauer meinte, daß ihm das alles ganz gut gefalle, gab dem Hansl ein gutes Wort und ein paar Silbertaler und bekam dafür die alte Zauberschrift.

Schon am nächsten Tag wollte der Bauer die unheimliche Schrift erproben. Er las sie zwischen elf und zwölf Uhr mittags aufmerksam durch und sprach zuletzt auch das Sprüchlein dreimal aus. Aber es war alles umsonst, kein Teufel ließ sich blicken.

Da glaubte Lipp, der Hansl habe ihm einen blauen Dunst vorgemacht. Er ging in den Hof hinaus, wo die Bäuerin gerade mit dem Hansl sprach, und sagte: "Hansl, es geht nicht!"

"Wär' nicht übel", entgegnete der, "es muß gehen!"

"Es geht aber nicht!"

"Da hast du heut sicher schon etwas gegessen und bist nimmer ganz nüchtern, was?", "Verspür nicht, daß ich etwas im Magen hätt."

"Freilich hast du etwas gegessen", redete nun die Bäuerin dazwischen, "einen halben Schinken und ein Stück Brot!"

"Geh, geh", meinte der Bauer, "kann man das ein Essen nennen?"

"Nun", sagte der Hansl, "ein halber Schinken ist mehr als genug! Wenn du willst, daß es mit der Zauberei etwas werden soll, mußt du dich an die Vorschrift halten!"

Am zweiten Tag versuchte es der Bauer neuerdings, und wieder mißlang die Zauberei. Da ging er zum Hansl in den Hof hinaus und rief: "Hörst, Hansl, du hast mich schön genarrt! Heut hab ich wirklich noch keinen Bissen im Magen, und es geht trotzdem nicht!"

"Dann hast du bestimmt etwas getrunken!"

"Nicht daß ich wüßt", war die Antwort.

"Freilich, freilich", mischte sich die Bäuerin ein, "in aller Früh' hat er schon drei Maß Wein getrunken."

"Geh, geh", meinte der Bauer und schmunzelte, "drei Maß sind doch gar nichts!"

"Nun weißt, Lippl", sagte der Hansl, "drei Maß Wein - das ist viel zuviel. Ich hab dir's schon gesagt, du mußt ganz nüchtern sein."

Als es der Bauer dann zum drittenmal versuchte, da ging's, und prächtig auch noch. Kaum war er mit dem Durchlesen fertig und hatte das Zaubersprüchlein dreimal gesagt, da kamen die sieben kohlschwarzen Raben wirklich dahergeflogen und fragten: "Was gibt's? Wo ist die Arbeit?"

Da befahl der Bauer: "Geht auf die Sommerleiten hinaus und mäht mir die drei Joch Weizen, und wenn er schon dürr ist, könnt ihr ihn gleich zu Garben binden."

Sofort flogen die Raben davon, verwandelten sich auf dem Feld in Tagwerker und arbeiteten bis in die sinkende Nacht. Unterdessen las der Bauer die Zauberschrift von hinten nach vorne durch, und weil er damit rechtzeitig fertig wurde, war alles in Ordnung, und niemand konnte ihm etwas anhaben.

Auf diese Art ließ er sich von den armen Teufeln die schwersten Arbeiten verrichten. Nun brauchte er nicht mehr so viele Dienstleute wie bisher und entließ die meisten von ihnen mitten im Jahr. Als auch der letzte Knecht fortgehen mußte, sagte der: "Wart nur, Vetter, für dich wird auch noch der Zahltag kommen!"

Der Bauer lachte dazu und machte sich nichts daraus. Er führte ein lustiges Leben und wurde recht übermütig. So quälte er die Teufel und trug ihnen die Arbeiten auf, die gar nicht notwendig gewesen wären. Das eine Mal mußten sie für ihn, obwohl er einen herrlichen Bauernhof besaß, einen prächtigen Palast bauen. Das andere Mal befahl er ihnen, einen Keller von hundert Klafter Länge und sieben Klafter Breite zu graben, so daß ein Leiterwagen bequem hinein- und herausfahren konnte. Dann ließ er sich den Fahrweg ins nächste Dorf mit Marmelsteinen pflastern.

Die so geknechteten Teufel knirschten oft vor Wut und fletschten die Zähne. Der Bauer kümmerte sich nicht darum, sondern tat, was er wollte, denn er hatte die Teufel in seiner Gewalt. So trieb er es fast drei Jahre lang, dann war aber das Maß voll.

Eines Tages, als der Bauer Lipp nicht zu Hause war, kamen ihm seine Buben über die Zauberschrift und lasen sie vom Anfang bis zum Ende durch. Es war gerade etwas vor zwölf Uhr mittags, und einer von ihnen hatte noch keinen Bissen im Magen. Wie erschraken sie, als die Zauberei wirkte und auf einmal die sieben Raben dasaßen und sie wild ankrächzten. Keiner der Buben brachte auch nur ein Sterbenswörtchen über die Lippen. Endlich fiel dem älteren Buben ein, daß man dem Federvieh eine Arbeit schaffen müsse. Und weil ihm nichts anderes in den Sinn kam, rief er den Raben zu: "Grabt sofort im Hausgarten die Bäume aus!" Im nächsten Augenblick flogen die Raben auch schon dorthin, wurden wieder zu Taglöhnern und begannen wie wild zu werken.

Unterdessen kam der Bauer nach Hause, und wie er sah, welches Unheil sie anrichteten, schrie er in seinem Zorn: "Heda, wer hat euch erlaubt, meine Obstbäume auszugraben?"


Sie aber hörten gar nicht auf ihn und gruben unbeirrt Baum um Baum aus.

Da ahnte der Bauer, daß jemand die Teufel gerufen haben mußte, und voll Angst und Bangigkeit lief er ins Haus. Da fand er seine Buben und schrie sie verzweifelt an: "Himmel, tu dich auf! Wo ist die Zauberschrift?" Doch die war auf einmal im ganzen Haus nicht zu finden. Und während der Lipp suchte und jammernd die Hände über dem Kopf zusammenschlug, kamen die Teufel, die keinen Baum stehengelassen hatten, hintereinander in die Stube.

"Wo ist denn unser gestrenger Herr Bauer?" sagten sie. "Ah, da ist er ja! Also komm nur her! Wir haben lang genug tanzen müssen, wie du gepfiffen hast. Jetzt pfeifen wir, und das Tanzen ist an dir!" Und höhnisch lachend packte ihn einer am linken Ohr, ein anderer am rechten Ohr, und so führten sie ihn hinaus bis zur Hexeneiche. Dort setzten sie ihn nieder, hänselten, neckten und zwackten ihn eine lange Weile. Dann blies einer auf einer Pfeife, und ein anderer sang:

"Schrim, schräm, schrum,
Bäuerlein, tanz herum!"

Da mußte der Bauer tanzen, ob er wollte oder nicht, und er machte so spaßige Sprünge, daß sich die Teufel vor Lachen den Bauch hielten. Plötzlich aber entstand ein Wirbelwind, eine dichte Staubwolke raste daher und hüllte alle ein. Der Bauer und die Teufel verschwanden darin. Niemand hat sie je wiedergesehen.

Quelle: Österreichische Volksmärchen, gesammelt von Josef Pöttinger, Wien 1957