Der Ludwig und die Klöpfermandl`n

Endlich konnte der Ludwig für ein paar Minuten aufstehen. Den ganzen Tag lang musste er in einem schmalen und niedrigen Schrämlauf die Gestänge säubern, damit die Huntstosser ihre schweren Karren mit Erz an den Tag schieben konnten. Der Rücken schmerzte, aber es gab noch viel zu tun. Als nächstes machte er sich daran, die Wasserrinnen, die man auch Saigen oder Lutten nennt, vom Schlamm und Geröll zu säubern, damit das Wasser ja immer abrinnen konnte.

Der Ludwig war erst dreizehn Jahre alt und schon ein Jahr im Stollen, aber das war nichts Ungewöhnliches zu dieser Zeit...

Sein Vater, ein Hauer, war draussen auf der Hauptstrecke. Er hatte erst vor wenigen Tagen einen vielversprechenden Erzgang angefahren. Der Hutmann, so nannte man den Steiger auch, hatte seinen Vater mächtig gelobt, was natürlich auch den Ludwig mit Stolz erfüllte.

"Noch bin ich Säuberbub...", dachte der Ludwig, "aber vielleicht lässt mich der Vater schon bald den Hauer erlernen? ".....

"Lass` gut sein für heut! ", riss der Vater den Ludwig aus seinen Gedanken, und steckte seinen Kopf zum Schrämlauf herein.

"Hab`s gleich, Vater! Nur noch ein Schaffl voller Dreck, dann ist die Lutte wieder frei! "

"Bist ein guter Bub...aber jetzt lass es sein ! Die nächste Schicht ist da.... Der Hutmann ist schon beim Abzählen! "

So packte der Ludwig sein Gezähe zusammen,wie der Bergmann das Werkzeug nennt, und auch das seines Vaters, und im flackernden Schein der Kienspäne stapften sie Richtung Tag, so an die dreissig Mann. Erst die Hauer, dann die Huntstosser, dann die Säuberbuben und schlussendlich die Focherbuben, die mit Blasbälgen stets für frische Luft sorgten.

Einmal mussten sie höllisch aufpassen, denn über den Tiefschacht führte nur eine schmale Bühne.
Unter ihnen standen die Wasserknechte im Schacht, auf steilen Leitern, Fahrten genannt, und hoben das Wasser aus der Tiefe....Kübel für Kübel...von Mann zu Mann.....ohne Unterlass.... Der Schacht war wohl der übelste Platz zum Arbeiten im ganzen Bergrevier, und immer wieder gab es Unfälle...


Sie waren wirklich froh, diese gefährliche Stelle hinter sich zu haben, und von der Schachtstube aus war es noch eine gute halbe Stunde Fussmarsch bis zum Tag. Endlich waren sie wieder draussen, und sie machten sich auf den Heimweg.

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Als sie am nächsten Tag wieder im Stollen schufen, die Schicht war schon fast vorbei, hörte der Ludwig über sich ein Klopfen. Erst meinte er, sich getäuscht zu haben, aber nach einiger Zeit war es wieder da: Togg! Togg ! Togg! Togg!

Nun wurde der Bub neugierig, und vom Schrämlauf stieg er in den schmalen Wetterschacht hinauf bis zur nächsten Sohle, um zu sehen, was denn da sei. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, denn er wusste sehr wohl, dass dort schon lange nicht mehr abgebaut wurde. Als sich seine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, gewahrte er drei kleine Lichtlein im hinteren Teil des verlassenen Abbaus. Und da war auch wieder dieses unheimliche Klopfen... Togg, Togg, Togg, Togg!

Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und ging auf die Lichter zu, und als er näherkam, konnte er drei verhunzelte Männchen erkennen, die höchstens halb so gross waren wie er selbst. Er wollte sie fragen, wer sie seien und was sie da machten, aber er brachte nur ein gekrächztes "Glück auf und Gottes Segen! " heraus.

Zu seinem Erstaunen erwiderten sie seinen Gruss und eines dieser Männlein sagte:

"Packe Dein Gezähe ein und kehre mit den Männern heim! "

Der Ludwig wollte noch fragen: "Was..."

"Psst! ", sagte das Männlein, "einem Klöpfermandl stell" keine Fragen! "

"Packe Dein Gezähe ein und kehre mit den Männern heim! "

Der Bub konnte nur nicken, sein Kehle war wie zugeschnürt, und so drehte er sich um und stieg durch den kleinen Wetterschacht wieder in den Schrämlauf hinunter. Dann lief er gebückt hinaus auf die Hauptstrecke und rief seinem Vater zu:

"Vater, Vater! Schnell! Wir müssen raus aus dem Berg!"

Sein Vater wollte schon aufbrausen, aber irgend etwas im Blick des Buben liess ihn innehalten.
Statt dessen rief nun er den anderen zu:

"Schnell, schnell ! Packt`s zammen! Wir fahren aus! "

Der Hutmann meinte: "Aber die Schicht ist noch nicht um, erst in einer Stund! "

Trotzdem trieb auch er die Leute zusammen, er konnte nicht sagen, warum, zählte sie, und eilig machten sie sich fort, nach draussen.

Auf ihrem Wege nahmen sie alle Männer mit, die sie finden konnten.

Kaum am Tage angekommen, schossen gewaltige Mengen Wasser, Schlamm und Geröll aus dem Erbstollen. Erst nach zwei Tagen war der Spuk vorbei. Grosser Schaden war entstanden im Berg, aber es gab wie durch ein Wunder keine Toten, woraufhin die Knappen zehn Heilige Messen spendierten.

Der Hutmann fragte Ludwigs Vater, wie er denn die Gefahr erkannt habe, worauf dieser antwortete:
"Der Bub, der Ludwig....... hat die Klöpfermandln g`sehn!"

Da nickte der Hutmann, klopfte dem Ludwig auf die Schulter, und meinte:

"Wenn Dein Vater nichts dagegen hat, fangst morgen bei ihm an, den Hauer zu erlernen!"

Der Ludwig grinste über beide Ohren, und seine Brust war dermassen vor Stolz geschwellt, dass man fast Angst haben musste, er würde jeden Augenblick zerplatzen! Am nächsten Tag schon erlernte der Ludwig von seinem Vater dem Umgang mit Schlägel und Eisen....und einige Jahre später wurde er ein stolzer Hauer...

Jedes Jahr aber, am Vorabend dieses denkwürdigen Tages, stellte der Ludwig einen grossen Teller mit allerlei Köstlichkeiten und einen Krug Wein in den Abbau, in dem er die Klöpfermandln gesehen hatte.....
So blieben ihm diese guten Geister wohlgesinnt, und sie haben den Ludwig und seine Kameraden immer vor Unglück in der Grube bewahrt......

Glück Auf!

Quelle: Günter Rieder, Schwaz, Dezember 2003, E-Mail-Zusendung vom 12. September 2005