Eine lehrreiche Tiergeschichte
von Silvia Mair

Es war einmal ein Mann, der erbte ein größeres Stück Land. Die Erde darauf war nicht fruchtbar genug, um sie für landwirtschaftliche Erträge nutzen zu können, aber es floss ein gesunder Bach durch die Mitte des Landstriches, darin gab es Flußkrebse und Forellen. Vereinzelt standen Bäume mit breiten schattigen Kronen darauf und auch um die kleinen Hügel, die sich dort und da erhoben, war es dem Mann leid. Er betete, was er mit diesem Erbe anfangen solle, bis ihm etwas einfiel.

Der Mann ließ sich in der Stadt zum Tierpfleger ausbilden und als er hörte, sein Freund, der Jäger, sei gerade von einer Reise zurückgekehrt, besuchte er ihn.

"Grüß dich, Freund."

"Es freut mich, dich zu sehen, Freund."

"Ich habe eine Bitte", sagte der Tierpfleger zum Jäger. "Auf deinen Reisen und Safaris bist du schon viel herumgekommen. Du jagst die schwächeren und kränklicheren Tiere um den Stärkeren das Überleben zu sichern. Ich aber will etwas für die ersten tun."

So machten der Tierpfleger und der Jäger eine Abmachung. Von jeder Reise, die der Jäger unternehmen würde, sollte er dem Tierpfleger ein exotisches Tier mitbringen, das auf dessen Flecken Land ein neues sicheres Zuhause erhalten sollte.

Als sie sich voneinander verabschiedeten, sagte der Jäger:

"Ich bringe dir zuerst ein Tier aus den Karpaten, denn dorthin geht meine nächste Reise."

Eine Woche darauf reiste der Jäger in die Karpaten und schoss dort ein Wildschwein mit seinem Betäubungsgewehr. Als er das Tier in die Heimat zurückbrachte, sah er, dass der Tierpfleger inzwischen nicht untätig gewesen war: er hatte das Gelände ausmessen lassen und starke Stachelzäune aufgestellt. Jedes Freigehege hatte Zugang zum plätschernden Bach und war groß und geräumig. Um die Gehege herum hatte der Pfleger einen Kieselweg angelegt, damit die Besucher eine Runde in seinem Tierpark drehen konnten und dabei alle Gattungen zu sehen bekamen. Es gab zu jedem Gehege einen Einstieg und auch zwischen den Parzellen waren Riegeltüren im Zaun angebracht worden.

Der Tierpfleger freute sich über seinen ersten Gast und wies dem Eber das größte und schönste Gehege zu. Es war ein kleiner Hügel darin mit einem Dutzend Laubbäumen darauf. Im Herbst würde das Wildschwein die Eicheln und Bucheckern zwischen den Stämmen finden und sie fressen.

Als der Jäger sah, wie gut sich sein Freund um das Tier kümmerte, verließ er ihn und begab sich erneut auf Reisen.

In Amerika gibt es wilde Pferde, die Mustang genannt werden. Der Jäger verfolgte eine Herde Mustangs und sein Betäubungspfeil traf eines der Tiere am Ende der Gruppe. Auch dieses Tier brachte er nach seiner Heimreise in den Wildpark.

Wieder freute sich der Tierpfleger sehr, denn er hatte ein Gehege eingerichtet, das sich von der einen Seite des Kiesweges hinunter zum Bach und an der Böschung hinauf bis zum gegenüberliegenden Pfad erstreckte. Hier konnte das Pferd nach Lust und Laune traben und galoppieren, denn es standen ihm keine Bäume im Weg.

Auch der Jäger freute sich über das Geschick seines Freundes und verabschiedete sich, um auf Safari zu gehen.

Einen Monat später brachte er dem Tierpfleger ein Nilpferd aus Afrika mit. Es war ein langer und beschwerlicher Transport gewesen und der Jäger hatte immer wieder anhalten und das Tier mit Wasser übergießen müssen, damit dessen Haut nicht austrocknete.

Als das Hippo aus seinem erschöpften Schlaf erwachte, befand es sich in einem künstlich ausgehobenen Teich mit Wasser aus dem kühlen Bach, das durch eine Schleuse geleitet wurde und sich im seichten Becken schnell erwärmte.

Wieder verabschiedeten sich die beiden Männer und der Jäger sagte, er werden nun Urlaub in Norddeutschland machen. Sein Freund, der Tierpfleger, wünschte ihm alles Gute und machte sich seinerseits daran, die Eröffnung des Tierparks zu planen.

Während er einen Streichelzoo mit Kaninchen, Hamstern und Zwergziegen einrichtete, ein Kassahäuschen am Eingang des Parks aufstellte und Flugzettel verschickte, vergaß er nicht, seine restliche Zeit den Tieren zu widmen.

Er redete freundlich mit ihnen, wenn er frisches Futter in die Tröge schüttete und obwohl die Tiere ihn kaum beachteten, wartete er geduldig auf die Zeit, da sie sich an ihn gewöhnt haben würden.

Der Mustanghengst fasste am schnellsten Vertrauen zu ihm. Bald kam dem Mann ein Wiehern entgegen, sobald er in die Nähe des Pferdes kam. Das Nilpferd war scheu und ruhig, wenn er es streichelte und seine Hautwülste von Ungeziefer befreite.

Nur das Wildschwein bereitete dem Tierpfleger Sorgen. Es entzog sich fast immer jedem Blick und wühlte nachts die Erde um. Der Tierpfleger war traurig, denn er wusste, dass Wildschweine gesellige Tiere sind, die in Rotten, in Familienverbänden, zusammenleben. Er beschloss, den Jäger zu bitten, noch einmal in die Karpaten zu reisen und dem Keiler ein Weibchen mitzubringen.

Als der Jäger aus Norddeutschland zurückkehrte, besuchte er seinen Freund.

"Ich habe dir noch ein Tier mitgebracht", sagte er und tat geheimnisvoll.

"Komm mit."

Der Tierpfleger folgte dem Jäger zum Auto, auf dessen Ladefläche ein Handkäfig stand. Darin befand sich ein Wasserbehälter und darin ein Fischotter.

"Fischotter sind vom Aussterben bedroht. Es gibt sie nur noch in Restbeständen und diese sind geografisch voneinander abgeschnitten. Vielleicht kann sich dieses Weibchen hier vermehren, in deinem sauberen Bach. Ich habe sie aus einem Kanal gefischt."

Der Tierpfleger bedankte sich und brachte seine Bitte vor, der Jäger möge bald eine Bache für das Wildschwein mitbringen.

Dieser antwortete: "Gut, in wenigen Monaten reise ich wieder in die Karpaten und dann hat dein Wildschwein eine Gefährtin."

Als der Wildpark im Hochsommer eröffnet wurde, kamen zuerst die Ehrengäste und später junge und alte Leute, die alles bestaunten. Die Kinder waren von den Streicheltieren begeistert, die Erwachsenen genossen die schöne Landschaft und den gemütlichen Spaziergang und alle erfrischten sich zum Schluss an Limonade und Eis.

Es wurde Herbst, die Laubbäume färbten sich bunt und warfen ihre Früchte ab. Der Keiler lag in seinem Wäldchen und fraß Bucheckern und Eicheln. Das Hippo lag wie immer plump und unbeweglich in seinem Teich, und der Mustang galoppierte seine Weide auf und ab.

Da sich die Tiere so gut eingelebt hatten, beschloss der Tierpfleger, im Spätherbst den Park für eine Woche zu schließen. Außerdem wollte er sich um das Winterquartier für das Nilpferd kümmern. Er redete den Tieren gut zu und versprach ihnen bei seinen täglichen Rundgängen, sie müßten sich eine Woche lang nicht betrachten und bestaunen lassen, er aber werde wie immer kommen und nach dem Rechten sehen. Jedes Tier hörte ihm zu und bevor sich der Eber wieder in den Schatten der Bäume verkroch, scharrte er ein Loch in die Erde.

Die Tiere aber haben eine eigene Sprache, mit der sie sich untereinander verständigen und sie teilten sich gegenseitig mit.

Das Nilpferd sagte: Ich fürchte, es wird hier noch kälter werden. Ich werde sterben, wenn der Sommer nicht zurückkommt.

Der Mustang sagte: Ich fühle mich so gefangen. Ich darf mich zwar nicht beklagen, aber werde ich jemals wieder in Freiheit laufen können?

Das Wildschwein sagte: Ich weiß, was wir tun können. Ich habe dem Menschen zugehört und alles verstanden, was er gesagt hat. Er liebt uns und will für uns sorgen, aber er ist schwach. Sein Freund, der uns gefangen und zu ihm hierher gebracht hat, ist stärker als er. Was, wenn der Mensch stirbt oder auch nur krank wird? Wir müssen uns befreien!"

Der Mustang und das Hippo redeten gleichzeitig drauflos.

"Liebe Freunde!" rief eine Stimme aus dem Bach.

"Laßt mich auch noch etwas sagen!"

Die anderen verstummten und sahen den Fischotter an. Er war als letzter zu ihnen gekommen und hatte sich immer sehr still verhalten.

"Ich kann nur sagen", begann der Fischotter, "das ich glaube, hier ein besseres Leben führen zu können, selbst wenn ich alle meine Freunde und meine Familie zurücklassen musste."

Das Wildschwein schnaubte angriffslustig.

"Dann willst du lieber gefangen bleiben?" Seine roten Augen glühten und dem Fischotter wurde ganz anders zumute. Er wollte sagen: "Ja, das ist mir lieber als in eine ungewissen Zukunft zu fliehen", aber er kam nicht sehr weit, da jagte ihn der Keiler brüllend fort.

Als der Fischotter außer Hörweite war, berieten der Keiler, das Pferd und das Hippo den Plan, in Freiheit zu gelangen und sie beschlossen, dem Menschen, der sich um sie kümmerte, eine Falle zu stellen. Als sie alles genau gesprochen hatten, trennten sie sich schleunigst und taten von nun an so, als ob es dieses Gespräch nie gegeben hätte. Sie warteten auf die Stunden, die sie miteinander abgesprochen hatten.

Unten am Bach lag das Fischotterweibchen in ihrer Uferhöhle und dachte nach. Ihr war nicht wohl dabei, dass die anderen Tiere mit ihrem neuen Zuhause unzufrieden waren und sie hoffte, dass sie zur Vernunft kamen und sich in ihr Schicksal fügten. Sie putzte sich gründlich und dachte an ihren früheren Lebensraum. Daran, wie sehr das Wasser gestunken hatte und an die milchigen Bläschen, die sich in ihrem Pelz gefangen und ihn langsam, aber sicher zersetzt hätten. Sie war auch immer hungrig gewesen. In ihrem neuen Zuhause konnte sie sich an Forellen und Krebsen satt fressen, die im klaren Bach in grosser Anzahl lebten.

Nach diesem Gedanken beschloss sie, nach Nahrung zu tauchen und rutschte ins Wasser hinunter.

Das Tier fand einige Kilometer weit kein Futter, das es fangen konnte und nächtigte in einer verlassenen Dachshöhle unter einer Weide. Die nächsten Tage verbrachte es damit, der Spur eines Männchens den Bach hinauf zu folgen. Doch die Spur führte ins Leere und so machte der Otter kehrt und ließ sich mit der Strömung treiben.

Im künstlichen Becken lag das Nilpferd und badete. Es grüßte den Fischotter, der vorbei schwamm, so freundlich, dass dieser beschloss, sich ein wenig mit dem Nachbarn zu unterhalten.

"Du hast es gut", sagte das Hippo und gähnte. "Dein Revier ist groß genug um tagelang darin unterwegs zu sein."

"Ja, das ist wahr", meinte der Otter fröhlich und planschte mit seinem Schwanz das Teichwasser zu Wellen auf.

"Nimm es mir nicht übel, dass ich dir gegen den Keiler nicht beigestanden bin", bat das Nilpferd gutmütig. "Er ist oft ein Besserwisser und leicht erregbar. Ich habe mich nicht getraut, etwas zu sagen, denn wir Tiere müssen hier miteinander auskommen, selbst wenn wir uns nicht ausstehen können."

"Daran habe ich seit Tagen nicht mehr gedacht!", sagte der Fischotter erstaunt. "Ich sollte wohl besser auch aufpassen und das Wildschwein nicht reizen."

"Ja, tu das", nickte das Flusspferd.

"Kommst du mich morgen wieder besuchen?"

Der Fischotter versprach es und verabschiedete sich.

Am nächsten Morgen stieg der Otter aus dem Bachbett und begab sich zur Teichwiese. Doch das Nilpferd ruhte nicht wie gewöhnlich im seichten Wasser. Wo war es?

Der Fischotter entdeckte es weiter oben, nahe am Kiesweg und beeilte sich, zu ihm zu gelangen. Die sanften Augen des Hippos waren weit aufgerissen, als es sich umdrehte.

"Du kommst noch rechtzeitig", flüsterte es mit zittriger Stimme. Es musste große Angst haben, aber wovor?
"Der Mensch ist heute gekommen, um dem Keiler sein Futter zu bringen. Er hat das Zaungatter geöffnet und die Futterkübel in den Trog geleert. Und plötzlich war der Keiler neben ihm, hat den Menschen angegriffen und sein Bein verletzt, bevor er aus dem Gehege rannte. Ich habe alles beobachtet!" Die Stimme des Nilpferdes überschlug sich.

"Der Mensch war verletzt, aber nicht tot. Er hüpfte hinter dem Flüchtigen her, doch das Wildschwein machte plötzlich kehrt, rannte den Menschen nochmals um und verschwand in seinem Laubwäldchen, ohne nach links und rechts zu sehen!"

"Nein!" schrie der Fischotter erschrocken auf.

"Bitte, sieh nach, ob du nicht das Zaungatter ins Schloss schlagen und den Keiler einsperren kannst, solange er es sich nicht wieder anders überlegt und vielleicht in das Dorf hinunter rast, um noch mehr Menschen zu töten!", flehte das Nilpferd.

Doch der Otter war schon unter dem Stacheldraht durchgeschlüpft und auf dem Weg zur Unglücksstelle. Von weitem sah er den Einstieg zum Wildschweingelände weit offen stehen. Es klebte rotes Blut am Zaun.

Angekommen, hob der Fischotter seinen starken Schwanz und fegte damit das Gatter ins Schloss. Im Wildgehege sah er niemand, nur die Vögel waren lauter als sonst.

Verzweifelt suchte der Otter den Kiesweg nach dem Tierpfleger ab. Vergeblich.

Er war schon fast beim Kassahäuschen, da trat ihm wutschnaubend das Wildschwein in den Weg. Blut tropfte von seiner Seite und es hatte Mordslust in den kleinen Äuglein stehen. Der Fischotter floh entsetzt in sein Versteck am Wasser.

Was war geschehen?

Der Plan der Tiere hatte funktioniert.

"Hört mir gut zu", sagte der Eber zu den anderen Verschwörern, als der Fischotter außer Hörweite war.

"Wir brauchen diese kleine naive Ratte, damit unser Vorhaben gelingt.

"Wie sollte er uns helfen?" wandte das Nilpferd ein.

"Du, Nilpferd, freundest dich ehest möglich mit dem Otter an und warnst ihn vor mir. Erzähl ihm, wie gefährlich und unberechenbar ich bin und stelle dich auf seine Seite. Mehr brauchst du nicht zu tun, den Rest erledigen der Mustang und ich."

Der Mustang schaute ungläubig.

"Wie?"

Der Keiler warf einen Blick um sich und sagte dann:

"Die Umzäunung meines Geheges ist weitläufig und an manchen Stellen vom Kiesweg aus uneinsehbar. An einer solchen Stelle werde ich mit meinen Hauern und Zählen den Draht aufbiegen, so dass er nach innen zeigt. Sobald der Park geschlossen hat, füge ich mir eine blutende Verletzung daran zu und zeige mich dem Menschen, wenn er zur Fütterung erscheint."

Das Hippo und der Mustang hörten jetzt gebannt, wenn auch etwas angewidert, zu.

"Der Mensch wird kurz nachdenken. Mein Gehege grenzt an deines, Mustang. Er wird also folgendes tun: Er öffnet das Zwischengatter und stellt den Futterkübel dort in der Nähe ab, um mich dazu zu bewegen, aus meinem Gehege in deines zu laufen und dort zu fressen, während er in mein Gehege vom Kiesweg aus einsteigen, die gefährliche Zaunstelle suchen und sie reparieren kann. Habt ihr das verstanden?"

Beide Tiere nickten hastig.

"Während der Mensch abgelenkt ist, werde ich dem Mustang als Springbock dienen, damit er den Zaun überspringen und von außen den Riegel öffnen kann. Wenn das geschehen ist, kommen wir zu dir, Nilpferd, und befreien dich ebenfalls."

Die Tiere sahen sich an.

Schließlich meinte der Mustang zögernd.

"Dein Plan ist gut, Wildschwein. So kommen wir frei. Aber der Mensch ist klüger als wir. Wenn er will, kann er uns überlisten und uns wieder einfangen."

"Nicht, wenn wir dafür sorgen, dass er nicht vom Fleck kommt", flüsterte der Keiler.

Und so schwindelte das Nilpferd dem Fischotter eine unwahre Geschichte vor, damit dieser dafür sorgte, dass der Tierpfleger seinen Wildpark so schnell nicht wieder würde verlassen können.

Da standen der Keiler, der Mustang und das Hippo draußen am Zaun, als der Tierpfleger in Sichtweite kam. Über diesen Anblick erstaunt, trat er näher.

"Du bist schuld, dass du nun so eingesperrt bist, wie wir es waren", sagte das Wildschwein kalt. "Wage dich noch einen Meter näher heran und ich renne gegen dich an, auch wenn dieser Zaun uns trennt."

Aber der Mensch blieb stehen, sah das elektronisch gesicherte Gatter geschlossen und Furcht kam in sein Gesicht.

Das Nilpferd sah bekümmert weg.

"Gehen wir jetzt?"

Die drei Verbündeten liefen am Kassahäuschen vorbei in die Freiheit.

Es vergingen drei Tage.

Der Jäger befand sich auf einer Konferenz in der Stadt und dachte beim nach Hause fahren daran, bei seinem Freund, dem Tierpfleger vorbeizuschauen, um ihm zu sagen, dass sie die Karpatenreise auf ein halbes Jahr später verschoben hatten. Der Tierpfleger war jedoch nicht zuhause und meldete sich auch später am Telefon nicht.

Am frühen Abend, als die Mücken im Herbstlicht tanzten, beschloss der Jäger in seinem Jeep zum Wildpark hinauszufahren und zu sehen, wie es den Tieren ging. Vielleicht war der Tierpfleger noch dort.
Der Kies knirschte unter den Schritten des Jägers und noch hatte er keines der Tiere gesehen. Dann entdeckte er seinen Freund weit unten am Bach; der beugte sich tief zum Wasser und schöpfte es zum Mund.

Der Jäger schrie, wo die Tiere seien.

"Warum bist du im Gehege?" schrie er.

Als der Tierpfleger sich aufrichtete, schwankte er.

"Mein Gott!", flüsterte der Jäger. Dann lief er seinem Freund zu Hilfe.

Er stützte ihn bis zum Auto und der Jäger kochte dem Tierpfleger eine Kraftsuppe bei sich zuhause und machte ihm das Gästebett zurecht.

"Soll ich den Arzt holen?"

"Mir geht es schon besser", entgegnete der Geschwächte und er schüttelte dem Jäger die Hand. "Danke, mein Freund."

Dann sagte er:

"Bitte tu noch etwas für mich. Such meine Tiere und sieh nach, ob es ihnen gut geht. Sie sind ohne mich verloren."

Der Jäger runzelte die Stirn, aber versprach es.

Der Tierpfleger arbeitete am nächsten Tag wieder in seinem Wildpark. Er sammelte die Früchte der Laubbäume in Kübeln ein, er putzte das Nilpferd-Becken und mähte das Gras im Wildgehege des Mustang. Ab und zu, wenn er sich aufrichtete, sah er den Fischotter im Bach schwimmen.

Der Jäger rief an und sagte ihm, alle drei Tiere seien eingefangen und ins städtische Tierheim gebracht worden. Er solle hinkommen und einige Papier unterschreiben, wenn er den Keiler, das Hippo und das Pferd abholen wolle.

Der Tierpfleger ließ alles stehen und liegen und fuhr ins Tierheim.

Der Jäger war schon dort.

"Komm mit", sagte er.

Die Zwinger, in denen die Ausreißer steckten, waren schmutzig und eng und Reue stand den Tieren in den Augen, als sie den Menschen begrüßten.

Der Tierpfleger sah, wie der Jäger sein Gewehr hob und auf das Wildschwein zielte.

"Was tust du!" rief er und fiel ihm in den Arm.

Der Jäger sah seinen Freund ernst und traurig an.

"Überlege, mein Freund. Du warst ihnen immer ein guter Tierpfleger. Sie haben dein Leben trotzdem gering geachtet. Ihre Reue mag echt sein, aber für wie lange?"

Als der Tierpfleger nachdachte, sah er ein, dass der Jäger recht hatte. Er rannte so schnell wie er konnte, lief weg, so weit ihn seine Füße trugen. Er hörte drei Schüsse in sein Herz treffen und Tränen liefen ihm über die Wangen.

Später, als die beiden Männer zusammen saßen, fragte der Jäger:

"Was willst du mit dem Wildpark tun?"

Sein Freund sagte, er wolle die Zäune entfernen und einen Vogelpark einrichten.

Da lachte der Jäger und sagte:

"Eine gute Idee!"

Doch auf die Bitte des Tierpflegers, er möge ihm also von seinen Reisen exotische Vögel mitbringen, schüttelte der Jäger den Kopf.

"Nein, diesmal nicht", sagte er.

"Denn die schönsten Vögel werden in deinen Park fliegen und mit Freude bleiben."

Und so geschah es.

Und die Vögel brachten die Katzen in den Garten und die Katzen lockten die Dorfkinder an, die in dem künstlichen Wasserbecken planschten und in dem Laubwäldchen Verstecken spielten und auf der grossen Pferdewiese herumtollten.

Quelle: E-Mail Zusendung von Silvia Mair, 7. November 2005.