Die Tanzenden.
Wie unschuldige Vergnügungen, die man sich zur Unzeit erlaubte,
vordem bestraft wurden, mögen uns folgende Sagen erzählen.
Zwischen Halberstadt und Wernigerode liegt das preußische Dorf Dannstedt,
ehedem Tanzstedt genannt. Hier tanzten einmal einige betrunkene Männer
und Weiber am Weihnachtstage, während des Gottesdienstes, rings um
die Kirche. Der Prediger, den ihr ungebührliches Lärmen störte,
that sie, nach vergeblicher Warnung, in den Bann. Und, auf sein Gebet,
mußten sie ein ganzes Jahr lang unausgesetzt hier forttanzen. Ihre
Kleider veralteten nicht, sie aßen, sie tranken, sie schliefen nicht
in der ganzen Zeit, tanzten aber um die Kirche herum einen solchen tiefen
Graben in die Erde, daß er noch jetzt zu sehen ist.
Eine gleiche Begebenheit ereignete sich zu Kölbick bei Bernburg
im Jahre 1021. Der Bericht davon war lange Zeit auf zwei Tafeln in lateinischer
und deutscher Sprache in der Kirche des Klosters zu lesen, das sonst hier
war. Der deutsche lautet so:
»Nach Christi Gebuhrt im Jahr 1021 bei des Kaisers Heinrichs Zeiten,
im andern Jahre Seines Regiments, hat sich begeben, diß Miracul,
daß sich hie in dieser Kirchen, die geweihet ist worden in den Ehren
Gottes und S. Magnus, etliche Bauers-Leute zusammen gethan, auf
das Fest der Heil. Christ-Nacht, und allda gesungen und gesprungen auf
dem Kirch-Hofe zu Kolbig, dermaßen, daß der Priester sein
Amt nicht vor ihnen hat verbringen können, hat sie aber höchlichen
vermahnet, umb Gottes-Willen, von solch Fürnehmen abzustehen, jedoch
hat alles nicht seyn wollen, der Bauern aber seind gewesen Funfzehen,
zwo Frauen und eine Jungfrau, ist gewesen des Kirchners Schwester. Als
nun des Priesters Vermahnen an ihnen nichts verfährt, hat er gesaget,
ey, nun gebe Gott und S. Magnus, daß ihr ein gantz Jahr also
singen und tantzen müßt. Also hat obgedachter Kirchner seine
Schwester vom Tantze wollen reißen bei einem Arm, hat ihm der Arm
erschröcklicher Weise von ihrem Leibe gefolget, so haben sie darnach
ein gantz Jahr all umbgetantzet, und biß unter ihre Gürtel
Kulen in die Erden getantzet, und ihre Kleider seind nicht veraltet, ihre
Schuhe nicht zerrißen, Haar und Bart unversehret blieben, auch weder
Regen noch Schnee auf sie gefallen. Als das Jahr verschließen, seind
kommen hieher gen Cölbig, die heiligen zweene Bischoffe, der von
Cölln und Hildesheim, mit andern andächtigen Vätern, und
haben Gott mit Ernst angerufen und gebehten, daß Gott der Allmächtige
diß Miracul von diesen geplagten armen Menschen wollt gnädig
abwenden.
Also hat sie Gott durch dieser heiligen Väter Gebeht entlediget von
solcher Strafe und erschrecklicher Plage, darnach nach ihrer Entledigung
seind sie kommen vor den Hohen Altar, haben nieder gekniet, und alle entschlafen
Drey Tage und Drey Nächte, und seind ihrer 4 von ihnen gestorben,
die andern sind aufgestanden, und Gott den Allmächtigen gepreiset,
und Dancksagung gethan, dem sei Lob Preiß und Ehr in Ewigkeit, Amen.«
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Otmar, S. 29. Becmann, Anhalt'sche Chronik,
3r Th. 4r Bd. 4s Kapitel. Büsching erzählt sie S. 383 vom Dorfe
Kolbeck bei Magdeburg. Wahrscheinlich soll dieß das ehemalige Kloster
und jetzige Anhalt-Köthensche Vorwerk Kölbick, eine Stunde von
Bernburg, seyn; denn bei Magdeburg giebt es kein Dorf Kolbeck.
Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814