Die Glocke im Opferteiche.
Dicht an Moringen, einem Städtchen bei Göttingen, liegt das
Oberdorf Moringen. Da findet man in einem Garten einen Teich, der Opferteich
genannt. In frühen Zeiten wurde in seiner Nähe, auf dem Mallo
oder Gerichtsplatze, unter großen Eichen Gericht gehalten, und die
Tradition sagt, daß er von den Opfern, die nach geschlossenem Gericht
gebracht wären, wobei man sich seines Wassers bediente, den Namen
erhalten habe. Neben ihm stand sonst ein Tempelherrenkloster, wovon noch
Ueberbleibsel da sind, und etwas weiterhin steht eine Kirche, die schon
unter Ludwig dem Frommen erbaut seyn soll, zum Kloster gehörte, und
jetzt die Filialkirche des Orts ist. Der Teich ist sehr tief, hat gar
keinen sichtbaren Zufluß, aber so reichliche unterirdische Quellen,
daß sein sehr klares und eben so kaltes Wasser gleich beim Ausflusse
zwei Mühlen treibt.
Von ihm erzählt man, daß es jährlich, in der Weihnachtsnacht
von zwölf bis ein Uhr, in seiner Tiefe läute.
Die Mönche des erwähnten Klosters hatten nämlich einmal
eine neue Glocke gießen und in dem noch stehenden Kirchthurme aufhängen
lassen. Sie vergaßen aber, der Gewohnheit gemäß, sie
vor dem Gebrauche zum Gottesdienste einzusegnen und zu taufen. Nun wollten
sie sie zum ersten Male in der heiligen Weihnachtsnacht zur Christmesse
gebrauchen. Aber kaum war sie in Schwung gesetzt und hatte einige Male
getönt, als sie durch eine wunderbare Kraft losgerissen wurde, zum
Schallloche des Thurmes hinaus, über das Kloster hin flog, und in
den Opferteich fiel.
Da liegt sie nun tief unten. In jeder Weihnachtsnacht aber hebt sie sich
in die Höhe, läutet, und sinkt dann wieder unter.
Seit der Zeit ist auch der Gottesdienst in der Kirche in Verfall gerathen
und das Tempelherrenkoster aufgehoben worden. Auch kann ihrentwegen kein
Fisch in dem Teiche leben.
Bei hellem Wetter haben Einige die Glocke in der Tiefe des Wassers liegen
sehen; auch kann man noch an der Seite des Schallloches die Spuren ihres
heftigen Durchflugs bemerken.
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Aus handschriftlichen Mittheilungen aus der
Gegend von Moringen.
Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814