Die Teufelsmauern.
Der Teufelsmauern giebt es mehrere. Zwei davon befinden sich an der Nordseite
des Harzes, zwischen den Städten Blankenburg und Ballenstedt. Die
eine besteht aus einer unzähligen Menge von Steinen, welche in einer
langen Linie, die sich durch den Wald zieht, auf einander gehäuft
sind, als hätte man eine hohe lange Mauer abgetragen. Da die Steine
von keiner ungewöhnlichen Größe sind, und locker auf einander
wie hingeschüttet liegen, so wird man versucht, zu glauben, daß
sie von Menschenhänden zur Errichtung eines Gebäudes hierher
gebracht wurden, oder daß ein Gebäude hier stand und abgebrochen
wurde. Die wahre Ursache ihrer entstandenen Aufhäufung möchte
sich schwerlich aufdecken lassen.
Diese Teufelsmauer liegt hoch oben auf den Vorharzgebirgen.
Nicht fern davon, am Fuße dieser Gebirge, im flachen Lande, findet
man die andere Teufelsmauer. Diese ist ein schmaler Felsenriff, der bei
der Stadt Blankenburg anhebt, und mit Unterbrechungen sich an zwei Stunden
lang fortzieht. Seine Klippen ragen in grotesken Gestalten auf dem Rücken
eines niedrigen Bergzugs, Heidelberg genannt, hervor, und gleichen sehr
täuschend einer von ungeheuern Quadern aufgeführten Riesenmauer.
Von diesen beiden Teufelsmauern erzählt das Volk folgendes Mährchen:
Der Teufel habe lange Zeit mit Gott um die Herrschaft der Erde gestritten.
Endlich sey zwischen ihnen eine Theilung derselben verabredet und die
Grenze gezogen worden. Um nun diese genau zu bezeichnen, und auch die
Verkündiger der Lehre Jesu von seinem Antheil zurück zu halten,
hätte der Teufel die vorhin zuerst erwähnte Mauer errichtet.
Bald wäre ihm aber sein Reich nicht groß genug gewesen, er
hätte von Gott noch eine Vergrößerung verlangt, und auch
erhalten; worauf er jene Mauer wieder eingeworfen, und die zweite errichtet
gehabt.
Eine dritte Teufelsmauer giebt es im Süden Deutschlands. Sie fängt
bei Pföring an der Donau an, läuft über die Landstraße
von Nürnberg nach Ingolstadt hinweg, und so fort bis in die Vorstadt
von Gunzenhausen, dann nach Dünkelsbühl, über die Jaxt
durch das Fürstenthum Oettingen und bis an den Neckar.
Diese, viele Stunden lange, Mauer ist ein von Menschenhänden errichtetes
Werk, und stammt noch aus den Zeiten der römischen Herrschaft in
Deutschland her. Kaiser Hadrian errichtete hier zuerst eine Landwehre,
indem er lange starke Pfähle einschlagen und mit Weißdorn dicht
bepflanzen ließ, was eine undurchdringliche Hecke bildete. Die Römer
nannten es Vallatum, die Deutschen Pfahlhecke. Kaiser Probus ließ
hierauf eine Mauer mit vielen Thürmen daneben aufführen, wovon
noch jetzt kleine Reste übrig sind.
Der gemeine Mann, der ein solches riesenmäßiges Unternehmen
menschlichen Kräften nicht zutraute, schrieb es dem Teufel zu. Man
nannte es eine Teufelsmauer, und erzählt dabei, so wie bei jenen
Teufelsmauern, daß der Teufel von Gott ein Stück der Erde als
Eigenthum verlangt habe. Gott habe auch eingewilligt, und ihm so viel
abzutreten versprochen, als er in einer Nacht vor dem ersten Hahnenschrei
mit einer Mauer umgeben könne. Der Teufel habe darauf das Werk begonnen,
sey auch fast damit fertig gewesen, als der Hahn sich hören lassen.
Wüthend über die fehlgeschlagene Hoffnung, hätte er alles
wieder umgestürzt, und die mühsam zusammengetragenen Steinklumpen
umhergeschleudert.
Eine vierte Teufelsmauer ist bei Lieberose in der Niederlausitz zu finden.
Mit dem Besitzer des Gojazer Gasthofs bei Lieberose, machte der Teufel
einst ein Bündniß, worin er von seiner Seite ihm versprach,
in einer Nacht um seinen Weinberg und sämmtlichen Acker eine Mauer
aufzuführen, den Hofraum zu pflastern und damit vor dem ersten Hahnenschrei
fertig zu seyn. Wozu sich jener dagegen verpflichtete, verschweigt die
Sage.
Wahrscheinlich aber mußte er ihm seine Seele, der gewöhnliche
Preis, um den der Böse solche Dienste leistete, verschreiben.
Aber so rüstig und ämsig auch der Teufel arbeitete, so krähte
doch der Hahn früher, als er fertig und eben im Begriffe war, im
Hofe noch einen großen Stein anzubringen. Diesen nahm er voll Zorns,
und warf ihn, ob er gleich funfzehn Zentner schwer war, mit einer Hand
über das Thor hinweg, wo er vor mehreren Jahren noch mit fünf
Löchern, die seine Finger eingedrückt hatten, lag.
Noch sieht man die um den Weinberg aus ungeheuern Feld- und Bruchsteinen
aufgeführte Mauer, die nur eine teuflische Macht so bauen konnte,
und findet viele Aecker mit großen Steinen eingefaßt.
* * *
Die Sagen von den ersten beiden Teufelsmauern
sind aus mündlichen Ueberlieferungen. Auch in Otmar's Volkssagen
stehen sie S. 175. Die von der süddeutschen erzählt Döderlein
in seiner Vorstellung des alten röm. Valli und Landwehr, der Pfal-
oder Pahlhecke, auch Teufelsmauer, Weißenburg 1731. 4., und die
von der Lieberoser ist aus der Lausitzer Monatsschr. 1798, Th. 2. S. 323
genommen. Büsching hat sie auch in der 1sten Abth. S. 203.
Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814