Die Teufelsschlacht im Goslar'schen Dom.
Kaiser Heinrich IV. hatte seinen Geburtsort, die vormalige Reichsstadt
Goslar am Harze, ungemein lieb, hielt sich fast immer da auf, und wendete
viel auf ihre Erweiterung und Verschönerung. Die hohen Festtage,
besonders das Weihnachtsfest, feierte er gemeiniglich da, und das recht
prunkvoll. Auch ladete er dazu immer einige Erzbischöfe und Bischöfe
ein, um den Glanz des Festes zu erhöhen.
Im Jahre 1063 war er auch zur Feier des Christfestes da. Sie sollte im
Dom, der noch jetzt steht, geschehen. Es wurden daher Tags zuvor die erforderlichen
Anstalten und Vorbereitungen getroffen, und auch Stühle für
die hohen Anwesenden hingestellt. Da entstand zwischen den Kämmerlingen
des Bischofs von Hildesheim und des Fürstabts von Fulda - beide geistliche
Herren waren vom Kaiser zum Feste eingeladen - ein Rangstreit wegen des
Vorsitzes. Einer auf altes Herkommen gegründeten Gewohnheit nach,
saßen die Aebte von Fulda, bei Versammlungen der Bischöfe,
immer zunächst dem Erzbischofe von Mainz. Sie verwalteten bei der
Kaiserin das Amt eines Erzkanzlers, was die Erzbischöfe von Mainz
beim Kaiser bekleideten, und aus diesem Grunde behaupteten sie den Sitz
neben dem Mainzer. Der Bischof von Hildesheim meinte dagegen: in seinem
Kirchsprengel könne ihm nur der Erzbischof, sonst niemand, vorsitzen.
Da nun keiner ihrer Diener seinem Herrn etwas vergeben, und keiner gutwillig
weichen wollte, so kam's in der Kirche von Worten zu Thätlichkeiten,
denen nur durch das Ansehn des Herzogs Otto von Baiern, der zugegen und
Fuldaisch gesinnt war, gesteuert und der Streit zu Gunsten des Abts von
Fulda für das Mal beigelegt wurde.
An dem darauf folgenden Pfingstfeste erhob sich aber der Zank von neuem,
und viel heftiger. Der Kaiser war wieder in Goslar, das Fest sollte ebenfalls
sollen gefeiert werden, und zu dem Ende waren jene beiden geistlichen
Herren auch wieder zugegen. Der Hildesheimer, den der Schimpf von Weihnachten
her noch bitter wurmte, war entschlossen, jetzt alles zu wagen, um den
Rang über den Fuldaer zu behaupten. Zu dem Ende hatte er den Markgrafen
Eckbert von Sachsen mit vielen Kriegsknechten heimlich hinter den Altar
in der Domkirche versteckt, die ihm zur gehörigen Zeit zu Hülfe
kommen sollten.
Als nun der Kaiser mit den Bischöfen und seinem Gefolge im Gotteshause
angekommen war, so erhob sich der Streit wegen des Vorsitzes augenblicklich.
Und so wie der Wortwechsel recht im Gange war, so stürzten jenen
Verborgenen aus ihrem Hinterhalte hervor, und prügelten mit den Fäusten
und Knüppeln die Fuldaische Partei bald aus der Kirche.
Diese, aufs höchste gereizt, verschaffte sich schnell in der Stadt
vielen Anhang, bewaffnete sich mit Gewehren, und stürmte nun haufenweis
in den Dom, wo der Gottesdienst im Gange und von den Domherren eben der
Chorgesang angestimmt war. Nicht mit Fäusten, sondern mit entblößten
Schwertern, ging sie auf die Hildesheimische Partei los. Das Gemetzel
war schrecklich. Der Altar war mit Leichen bedeckt, und das Blut floß
über die steinerne Treppe bis auf die Straße.
Der Bischof von Hildesheim hatte die Kanzel gewonnen, von wo er die Seinigen
zur Tapferkeit ermahnte, und sich anheischig machte, das Blutbad, trotz
der Heiligkeit des Orts, wo es vorfiele, bei demjenigen zu verantworten,
dessen Gesandter und Hirt er wäre. Das wirkte. Die Hildesheimer fochten
wie die Löwen. Der schwache Kaiser gab sich zwar alle Mühe,
durch Zurufen und Aufbieten seines ganzen Ansehns dem Tumulte Einhalt
zu thun, aber umsonst. Kein Mensch hörte darauf, und er war froh,
als er sich mit heiler Haut durch das Volk gedrängt und in seinen
Pallast geflüchtet hatte.
Die Hildesheimer blieben Sieger. Sie schlugen die Fuldaer zum Tempel hinaus,
und verrammelten die Thüren.
Unter den Metzlern und Zuschauern - so lautet nun die Sage - befand sich
auch der Teufel. Er schlug wacker mit drein, und als der Sieg entschieden
war, schwang er sich sichtbar empor, fuhr durch ein Loch des Kirchengewölbes
in die Höhe, und rief den Goslarern mit Hohngelächter zu:
»Hunc diem bellicosum feci!«
Das Loch, wodurch er fuhr, hat nie können zugemauert werden, so oft man es auch versuchte. Immer fielen Kalk und Steine wieder heraus, und viele Jahrhunderte hindurch blieb es offen; denn alles Verstopfen half nichts. Endlich ließ es der Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, um das ärgerliche Andenken an diese Begebenheit zu vertilgen, zumauern, und, da eine Bibel als Stein mit eingesetzt wurde, so stand das Gemauerte, und steht noch.
* * *
Daß diese blutige Scene wirklich so, wie
sie hier erzählt ist, unter des schwachen Heinrichs Regierung im
Dom zu Goslar vorfiel, ist außer Zweifel. Es blieben nicht nur eine
große Menge auf der Stelle und um die Kirche her, sondern viele,
die sich in die abgelegensten Winkel der Kirche bis unter das Dach flüchteten,
mußten hier, da das Gemetzel drei ganzer Tage dauerte, des schmählichsten
Hungertodes sterben, indem es keiner hervorzukommen wagen durfte. Als
man im Anfange des vorigen Jahrhunderts das bleierne Dach von dem Dome
nahm, fand man drei Menschengerippe unter den Dachsparren in einer gekrümmten
Stellung; wahrscheinlich Unglückliche, welche sich in jenen Tagen
hierher geflüchtet hatten. Die große Krone von Metall, welche
noch jetzt im Goslar'schen Dom hängt, ist auch noch ein Andenken
an diese schreckliche Scene. Der Kaiser verurtheilte nämlich den
Abt von Fulda, sie zur Strafe hierher zu schenken. Dieser gestrafte Prälat
scheint eigentlich der weniger Schuldige zu seyn, aber der Kaiser war
noch ein Kind, den seine Umgebungen nach Willkür lenkten. Den Teufel
bei der Sache thätig vorzustellen, hatte die Geistlichkeit wohl ihre
Gründe. Sie mochte fühlen welch' ein Schandflecken es für
sie sey, überhaupt einen solchen Streit, und vorzüglich an einem
Gott geweihten Orte, geführt zu haben, und da konnte sie sich denn
freilich nicht besser von aller Schuld reinigen, als wenn sie erklärte:
Der Böse war unter uns, hat uns durch seine teuflischen Künste
verblendet, berückt, und wir mußten handeln, wie er es haben
wollte. - Honemann, Alterthümer des Harzes, 1754, 4.
Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen
der Deutschen, Halle 1814