Der Hapsperger.
In der Mitte des 16ten Jahrhunderts war Freiherr von Hapsperg Landvogt in der Herrschaft Badenweiler. Mit dessen Hülfe führte der Markgraf dort das Lutherthum ein, wobei jener so eifrig war, daß er in der Müllheimer Kirche sich mit auf den Chor stellte und den neuen Gesang leiten half. In seinem Amte war er hart und erlaubte sich manche Gewaltthat. Einem Juden, welcher schon öfters wegen Diebereien gestraft worden, hatte er für den nächsten Fall mit dem Henken gedroht. Als er nun eines Tags mit seinem Diener und dem Hatschier von Müllheim gegen Sulzburg ritt, gewahrte er, von der Höhe aus, den Juden, der bei Erblickung des Landvogts eilig die Flucht ergriff. Letzterer ließ ihn jedoch durch seine Begleiter einfangen und dessen Zwerchsack untersuchen, worin sich ein paar Hühner fanden, die der Jude, wie er gleich eingestand, in Zunzingen gestohlen hatte. Da erinnerte Hapsperg denselben an seine Drohung, und ließ ihn durch seine Leute ohne weiteres an den nächsten Nußbaum aufknüpfen. Dieser Platz, welcher an einem Kreuzwege liegt, wird davon noch heute der Judengalgen genannt. Nachher berichtete der Landvogt dem Markgrafen, daß er den Juden, vorbehältlich der höhern Genehmigung, habe henken lassen und bat um deren Ertheilung. Diese erfolgte zwar, jedoch mit der Weisung, künftig die Todesurtheile nicht nach, sondern vor der Vollstreckung bestätigen zu lassen.
Eine andere Bedrückung der Leute entstand aus des Hapspergers unmäßiger Jagdliebe. Selbst aus der Predigt ließ er dieselben zum Treiben holen und verfolgte das Wild bis in die Fruchtfelder, daß die Aernte großentheils zu Grunde ging. Einmal ritt er noch in den Wald des Innerbergs auf die Jagd, als seine Frau schon Geburtswehen empfand; bald aber wurde er nach Hause gerufen, weil sie und ihr neugebornes Kind am Sterben seien. Da sprengte er in solcher Hast zurück, daß er bei dem Judengalgen mit dem Pferde stürzte und den Hals brach. In der Kirche zu Müllheim ward er mit seiner Frau und dem Kinde beigesetzt. Auf der einen Hälfte des Grabdenkmals 1) ist er, im Harnisch, und auf der andern sie, mit dem Todtenkopf des Kindes in den Händen, ausgehauen. Wie der Freiherr hier abgebildet, so zeigt sich in manchen Nächten sein Geist auf dem Chore, oder, von einem schneeweißen Hündlein begleitet, außen bei der Kirche. Gewöhnlich aber erscheint er als Jagender, von bellenden Hunden, die er hetzet, umgeben. Mit denselben fährt er, besonders Nachts, durch die Lüfte in ganz Deutschland umher und ist unter dem Namen des wilden Jägers allenthalben bekannt. Daß dieser in Müllheim begraben liegt, gilt für dessen Wahrzeichen. An dem Innerberg und dem Judengalgen erscheint und tobt er am meisten. Auch das Wiesenthal wird häufig von ihm besucht, wo er einst am Tage unsichtbar durch den Wald bei Hägelberg zog. Einem Bauer, welcher darin fuhr, rief er zu, auszuweichen, und da derselbe nicht gleich gehorchte, warf er ihn vom Wagen hinunter. Ein anderes Mal hörten zwei Bursche, die in der Nacht bei dem Röttler Schloß aus dem Walde kamen, ferne in der Luft des Hapspergers Jagdgeschrei. Spottend ahmten sie es nach; geriethen aber in große Angst, als das Getöse schnell immer mehr sich näherte. Mit genauer Noth flüchteten sie sich noch in das Röttler Pfarrhaus, und kaum hatten sie dessen Thüre hinter sich zugemacht, so warf es außen einen ganzen Armvoll Knochen an dieselbe, wobei eine Stimme rief:
"Habt ihr mir helfen jagen,
So helft mir jetzt auch nagen!"
1) Es ist, wie die Inschrift zeigt, der Grabstein Hans Hartmanns von
Hapsperg, Oberamtmanns der Herrschaft Badenweiler, 1584, und seiner
Frau, Klodina von Hapsperg, 1589.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande
Baden und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 35.