Die Hochburg.
Das stattliche Bergschloß Hochberg ist längst im Verfall, und sein unterirdischer Gang auf die Burg Landeck verschüttet. In dem Schlosse geht eine weiße Jungfrau mit einem Bund Schlüssel bei einem verborgenen Schatze um. Wenn der Mond scheint, pflegt sie aus einem Erker zu schauen und manchmal zu singen; auch wandelt sie allnächtlich hinab in das Brettenthal, wäscht sich am Bache und kämmt und zöpft ihre langen Haare. Beim Hinuntergehen ist sie fröhlich; bei dem Rückgang hinauf aber weint sie.
Einem Bauer aus Windenreuthe, der nachts mit einem Sacke Mehl aus der Mühle ging, kam die Jungfrau entgegen und sagte ihm Folgendes. "Gehe mit mir auf die Hochburg zu dem Schatze, nimm aber davon ja nicht mehr, als du, ohne unterwegs abzustellen, heimtragen kannst. So oft du wiederkömmst, mußt du es so machen, und wenn du endlich all das Geld beisammen hast, dann ist meine Erlösung da. Finde ich sie nicht durch dich, so muß ich ihrer noch lange harren, denn das Holz zu der Wiege des Kindes, das mir wieder helfen kann, ist noch nicht gewachsen." Ohne Bedenken folgte er ihr in ein Gewölbe des Schlosses, worin auf einer eisernen Kiste ein schwarzer Pudel lag. Auf einen Wink der Jungfrau sprang er herab, der Deckel der Kiste fuhr von selbst auf und ließ das viele Geld sehen, womit sie angefüllt war. Gierig faßte der Mann eine große Summe in seinen ausgeleerten Mehlsack und machte sich damit auf den Heimweg; aber unweit des Dorfes mußte er seine Last, die zu schwer war, absetzen und ausruhen. Da fuhr etwas über ihn hinaus und drückte ihn nieder, daß er die Besinnung verlor, und als er wieder zu sich kam, war Sack und Geld hinweg. Ganz elend kam er nach Hause, erzählte, was ihm begegnet, und starb am dritten Tage.
Das Geld, welches auf der Burg vergraben ist, hebt sich im März aus dem Boden, um sich zu sonnen. Als einst, im erwähnten Monat, mittags zwischen elf und zwölf, ein Mann auf das Schloß kam, sah er dort neun Körbe voll Bohnenschoten an der Sonne stehen. Aus jedem Korb nahm er eine Hand voll in seine Rocksäcke, worin Brodkrümmchen waren. Weil diese die Schoten berührten, konnten letztere, welche Geld waren, nicht mehr entweichen, und daher fand der überraschte Mann zu Hause seine Taschen mit Silbermünzen gefüllt. Unverzüglich eilte er wieder auf die Burg, aber da waren Körbe und Bohnen verschwunden.
Ein Hirtenbube von dem Meierhof unter dem Schlosse kam eines Sonntags auf dieses und gewahrte durch ein Mauerloch einen großen Saal, der ganz mit rothen Teppichen ausgeschlagen war. Darin saßen an einer Tafel zwölf Männer, deren Kleider von Gold und Silber schimmerten. Vor jedem stand ein goldener Becher, in der Mitte der Tafel eine große, prachtvolle Kanne und um sie her eine Menge Speisen in kostbaren Geschirren. Ohne Zagen ging der Junge hinein und ließ, auf die stillschweigende Einladung der Männer, es sich trefflich schmecken. Nach diesem holten dieselben zwei schwere goldene Kugeln und neun solche Kegel herbei, winkten dem Buben, aufzusetzen, und fingen an zu kegeln. Als sie eine Zeit lang gespielt hatten, gab einer von ihnen, ohne zu sprechen, dem Jungen vier Goldstücke als Lohn, und den Augenblick nachher war der Saal mit Männern, Tafel, Kegelspiel verschwunden, und der Bube vor der Burg im Freien. Eilig begab er sich auf den Meierhof, erzählte das Vorgefallene, indem er die Goldstücke zeigte, und erfuhr mit Erstaunen, daß er drei Tage auf dem Schlosse gewesen. Nun mußte er zwar mit den Leuten wieder dahin, aber alles Suchen nach dem Saale war vergebens. -
Die zwölf Männer sind in die Burg verwünscht; allein sie
kommen, wenn Deutschland in der größten Noth ist, wieder heraus,
und befreien es von seinen Feinden.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden
und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 67.