Drei heilige Schwestern.
Ein Raubritter auf der Burg Mönchenstein 1) hatte drei schöne Töchter, welche Chrischona, Ottilia und Margaretha hießen. Um dieselben freiten drei Brüder von Reichenstein, die in der Nachbarschaft ihren Sitz hatten. Da der Ritter mit ihnen in Fehde lag, so wies er ihre Bewerbung zurück und ließ seine Töchter, weil sie ihre Freier liebten, einkerkern und in Ketten legen. Den Reichensteinern aber paßte er mit seinen Reisingen in einem Hinterhalt auf und nahm alle drei gefangen. Als er bald darauf hörte, daß seine Töchter sich im Kerker durch Gesang trösteten, wurde er so aufgebracht, daß er die drei Ritter auf den Burghof schleppen und vor den Augen ihrer Geliebten enthaupten ließ. Kaum war diese Schandthat ruchbar geworden, so zogen die Freunde der Gemordeten mit ihren Mannen vor Mönchenstein und erstürmten und zerstörten es. Den Fräulein thaten sie nichts zu Leide, ja, sie wollten für deren Glück in der Welt alle Sorge tragen; allein dieselben beschlossen, Gott allein ihr Leben zu weihen. Zu dem Ende erbauten sie sich, am Ausgang des Wiesenthals in das Rheinthal, auf drei unbewohnten Berggipfeln drei Kirchlein mit Klausen, deren jedes eine starke Stunde von den beiden andern entfernt war. Hier lebten sie in großer Heiligkeit und gaben sich, zu den verschiedenen Tageszeiten, mit ihren Glöcklein das Zeichen zum Gebete; auch winkten sie sich mit großen weißen Tüchern, redeten mit einander durch lange Sprachrohre und sagten sich Abends durch hinausgestellte Lichter gute Nacht. Alles dies setzten, nach Margaretha's Tod, Chrischona und Ottilia fort, bis auch diese von hinnen schied. Gottergeben ertrug Chrischona ihre Verlassenheit und folgte endlich ihren Schwestern in das Himmelreich. Jede dieser Heiligen liegt in ihrem Kirchlein begraben, von denen das eine noch jetzt St. Chrischona, das zweite St. Margaretha, und das dritte nebst dem dazu gehörenden Dorfe, nach Ottilia's Namen, Tüllingen heißt. In allen müssen, zum Andenken an die Jungfrauen, große Sprachrohre gehalten werden.
Nach anderer Ueberlieferung waren die drei Schwestern Töchter eines heidnischen Fürsten, der, weil sie Christinnen geworden, sie von Hause verbannte. Sie siedelten sich dann an den erwähnten Stellen an und lebten so heilig, daß Gott ihnen verlieh, einander zu verstehen, wenn sie, von ihren Klausen aus, mit gewöhnlicher Stimme sich unterredeten.
1) Andere nennen Pfirt, und wieder andere Pfeffingen.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden
und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 20.