Die St. Johannesminne
Im Ravensburgischen bis gegen Markdorf hin wurde früher der St.
Johannestrunk besonders hochgehalten. Jeder Bauer nimmt seinen Johannessegen,
etwa eine Maß, oft noch mehr guten roten Wein mit nach Hause: roter
Wein muß es sein. Kommt man von der Kirche heim, so werden Mutter,
Kinder, Knechte und Mägde bis zum einfachsten Hirtenjungen herab
zusammengerufen, und alles setzt sich um den Tisch herum. Der Hausvater
trinkt zuerst aus dem Becher, und dann macht er die Runde am ganzen Tisch;
sogar das Kind in der Wiege muß St. Johanneswein trinken. Den ganzen
Tag feierte man und es wurde wenig gearbeitet. Desgleichen ist St. Johannissegen
im Wirtshaus zu treffen. Der Wirt läßt ziemlich viel Wein zur
Kirche tragen, und davon bekamen Nachbarn, Stammgäste und solche
ärmere Leute, die keinen Wein aufzubringen vermochten, zu trinken.
Quelle: Anton Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben. Zweiter Band: Sitten und Gebräuche. Freiburg 1862, Nr. 137, S. 110 f.