Seemännlein ausgelohnt

Seebenweiher © Klaus Kramer
Der Glaswaldsee, auch Seebenweiher genannt, Schwarzwald
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de

In dem unergründlichen Seebenweiher oder Glaswaldsee hielten sich vordem Seemännlein auf; sie waren so groß wie Kinder und oben wie Menschen, unten wie Fische gestaltet; auch konnten sie sich unsichtbar machen. Eines der Männle war mit den Leuten des Seebenhofes, der Dreiviertelstunden weiter unten am Berge liegt, so befreundet, dass es sie jeden Morgen weckte und bis zum Abend bei ihnen blieb; dann kehrte es in den See zurück. Den ganzen Tag schaffte es für sie, besonders besorgte es ihr Vieh, und das gedieh dabei schöner als je. Wenn man dem Männlein eine Arbeit auftrug, musste man übrigens jedes Mal sagen: "Nicht zu wenig und nicht zu viel!", sonst tat es entweder viel zu wenig oder viel zu viel. Täglich bekam es auf dem Hofgut sein Frühstück, Mittag- und Nachtessen. Man musste es ihm unter die Treppe stellen und durfte es beim Essen nicht stören. Obschon sein Anzug, wie sein Schlapphut stark abgetragen und seine Jacke obendrein zerrissen war, hielt es doch stets den Seebenbauer ab, ihm andere Kleidungsstücke anzuschaffen. Endlich aber ließ der im Winter ein neues Röcklein machen und gab es abends dem Männlein. Das aber klagte: "Wenn man ausbezahlt wird, muss man gehen; ich komme von morgen an nicht mehr zu euch." So sehr der Bauer auch versicherte, dass der Rock kein Lohn, sondern nur ein Geschenk sei, konnte er doch das Männlein von seinem Vorsatz nicht abbringen.

Seebenweiher © Klaus Kramer
Der Glaswaldsee
© Klaus Kramer, www.klauskramer.de

Hierüber böse, gab die Magd dem Männlein kein Nachtessen, und es ging mit leerem Magen von dannen. Am andern Morgen fand man vor dem Hause die Magd tot auf den Kopf gestellt, der ganz in dem Boden eingegraben war. Das Seemännle hat niemals mehr sich auf dem Seebenhof blicken lassen.

Quelle: J. Künzig, Schwarzwaldsagen, 1930, Emailzusendug von Klaus Kramer am 14. Mai 2006