Die drei Holzfräulein
Nächst dem Dorfe Sauerlach bei Deisenhofen erhebt sich in stiller Waldeinsamkeit das Wallfahrtskirchlein Staucharting, wo alljährlich am St. Annatag eine Leonhardifahrt gehalten wird. Bei dieser Kapelle befanden sich früher zwei stattliche Bauernhöfe, die im Jahre 1857 vom Staate angekauft und niedergelegt wurden. Wo sich die aus diesen zwei Höfen bestandene Schwaige erhob, da dehnt sich heute ein prächtiger Hochwald aus.
Viele, viele Jahre ist’s her, so erzählten sich da droben die Landleute, als noch im Keller des größten Hofes der Schwaige Staucharting nicht selten drei Holzfräulein zu sehen waren. Die wunderlichen Waldwesen waren fleißig und nahmen sich um alles an. Tagtäglich stellte ihnen die Bäurin das „Grüahret“ (die Vollmilch) zum Buttern hinab. Diese Arbeit taten sie sehr gerne. Auch spannen sie den Flachs und verrichteten noch andere häusliche Arbeiten. Weil sie aber vollständig unbekleidet waren, so legte ihnen die Bäuerin, um sich für die ihr geleistete Arbeit ein wenig erkenntlich zu zeigen, drei neue Leinenhemden in den Keller hinab. Seit diesem Tage blieben die Holzfräulein aus und wurden auch in der ganzen Gegend nicht mehr gesehen.
Quelle: Willy Rett, Propyläen, 9. Jahrg.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013.
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