Das Hochgericht auf der Heide
Auf der Heide zwischen Ramersdorf und Zorneding ist’s auch nicht geheuer. Zu gewissen heiligen Zeiten steigen dort nachts aus der Erde Geistergestalten in alter, verblichener Tracht, besetzen einen großen Wagen und halten mitten in der Heide an. Da steigen wie wieder ab, laufen mit Windlichtern hin und her und lassen sich endlich in einem weiten Kreise zum Gerichte nieder. In ihrer Mitte sitzt eine Gestalt als Angeschuldigter, zu seiner Seite der Nachrichter mit bloßem Schwerte. Eine Glockenstunde lang dauert die erregte Verhandlung; doch aus dem Geistermunde kommt kein lautes Wort, klanglos sind alle Reden. Endlich wird der Verurteilte von dem Nachrichter enthauptet. In diesem Augenblicke schlägt es auf dem Ramersdorfer Kirchturm ein Uhr und mit dem ersten Schlage ist das Geistergericht verschwunden. Nur zufällig haben solches nächtliche Wanderer erblickt; denn wer wagt sich in solchen Nächten auf die Heide?
Quelle: Nach Alex. Schöppner u. J. A. Mayer.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013.
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