Onuphrius am Marienplatz
Bevor man den Marienplatz gegen das Tal zu verläßt, sieht man an einem Hause rechter Hand das Bild eines Riesen. Es ist dargestellt nackten Leibes, die Lenden mit Baumzweigen umgürtet, auf dem Kopfe eine Krone, in der einen Hand ein Doppelkreuz und in der andern einen Knotenstock tragend. Die Münchener Sage nennt ihn den heiligen Onuphrius und weiß von ihm folgendes zu berichten:
Onuphrius war ein persischer Königssohn, der von seinem grausamen Vater verstoßen wurde. Er begab sich darauf in eine Wüstenei und brachte dort sechzig Jahre als Einsiedler in Gebet und frommer Betrachtung zu, ohne einen anderen Menschen zu sehen. Hier lebte er von den Wurzeln des Waldes. Weder die glühenden Strahlen der Sonne noch die rauhen Nachtfröste schadeten ihm. Kopfhaare und Bart wuchsen ihm in solcher Länge und Fülle, daß sie ihm bis auf die Füße niederwallten und seinen Leib wie ein Kleid bedeckten. Vom Geiste Gottes getrieben, verließ Onuphrius endlich die Wüste und wanderte in der Welt umher, den Menschen durch seine Wundertaten Gutes erweisend. Einst kam er auf seiner Wanderschaft auch nach München; in derselben Gestalt und Größe, wie das Bild ihn zeigt, zog er durch das Talbrucktor in die Stadt ein. Ein zweites Mal erschien er im Jahre 1659 bei einem großen Brande in der Burggasse, wo er Wasser in die Flammen goß und so den Brand löschte. – Wer je des Heiligen Bildnis schauet, wird an diesem Tage nicht gähen Todes sterben.
Quelle: Nach J. M. Mayer, Münchener Stadtbuch, 534.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013.
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