Der Schlafhaubenkramer

Vor hundert und mehr Jahren war um die Frauenkirche noch der Frauenfreithof. Hin und wieder hörte man, es gehe dort um, und vorsichtige Leute machten lieber einen Umweg, als daß sie bei Nacht den Kirchhof durchgingen. Bei einem Abendtrunke erzählten nun etliche Bürger auch von Geister- und Spuckgeschichten und, daß sich auf dem Freithofe das Gespenst mit der Schlafhaube auch wieder sehen lasse. Ein Krämer von der Schwabingerstraße aber meinte, in betreff des letzteren wolle er es schon darauf ankommen lassen und mit dem Geiste fertig werden. Als die Zeit gekommen, nach Hause zu gehen, nimmt der Krämer, welcher sich indessen Courage getrunken, Hut und Latrnchen und wandelt dem Frauenfreithofe zu, über welchen sein Weg führte. Da sieht er denn richtig einen langen weißen Mann mit einer Schlafhaube an einem Grabsteine sitzen. Der Krämer erschrickt anfänglich, denkt aber ans Wirtshaus, ermannt sich, ballt die Faust und versetzt der Larve eine Maulschelle, so daß ihr die Schlafhaube vom Schädel fällt. Nun heißt’s aber laufen. Der Krämer voraus, das Gespenst hinterdrein. Der Krämer gelangt glücklich in sein Haus und schlägt dem Verfolge die Türe vor der Nase zu. Der Geist kann nicht durch, weil die Türe nach altem Brauch mit drei Kreuzen bezeichnet ist. Der Krämer eilt hinauf in seine Stube, da sieht schon die Gestalt zum Fenster herein. Was tun? Im Zimmer hängt ein Bildlein der Muttergottes von Altötting, der Krämer reißt’s von der Wand und wirft es dem Eindringling entgegen. Alles still, der Geist ist verschwunden. Am andern Morgen findet man das Muttergottesbildlein ruhig ans Fenster gelehnt. Von selber Stund an hieß der Krämer „Schlafhaubenkrämer“.

Quelle: Nach Schöppner.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013. 
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