Der Teufel in der Frauenkirche

Als die Kirche zu Unserer Lieben Frau in München erbaut wurde, ärgerte sich der böse Feind, der dadurch sein Reich der Hölle bedroht sah, ganz teufelsmäßig darüber. Mit all seiner List konnte er den Bau nicht hintertreiben; nachdem aber endlich die  Kirche vollendet dastand, beschloß er, sie mit Wind und Sturm zu verderben. Als nun der Teufel in dieser Absicht durch das Hintertor in die Kirche eintrat und unter dem Musikchore stand, sah er zu seiner großen Verwunderung wegen der vorstehenden gewaltigen Säulen kein einziges Fenster. Darüber lachte der dumme Teufel ganz vergnügt; denn er hielt die Kirche für einen ungeschickten und unnützen Bau, der ihm nicht viel schaden könne, weil es ja zu dunkel in derselben sei. Er ging daher wieder  beruhigt fort, aber an der Stelle, wo er stand, ist sein Fuß noch sichtbar schwarz im Steine eingeprägt.

Als aber der Teufel nachher sah, daß dennoch die Leute fleißig in die neuerbaute Kirche zur Andacht und zum Gottesdienste gingen, er selbst aber, weil sie nun schon geweiht war, nicht mehr in dieselbe eintreten konnte, stürmte er außen um die Kirche herum, um die Leute vom Kirchgange abzuhalten. Daher kommt es, daß der Wind um die Frauenkirche oft so heftig geht, daß er manchen das Frauenbergl hinabtreibt, ehe er sich’s versieht, oder den Leuten den Hut vom Kopfe nimmt.

Quelle: J. M. Mayer, Münchner Stadtbuch, S. 542.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013. 
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