Der Ziegel vom Waldstein
Die schönste Trümmer auf und zwischen dem ungeheuren Felsenriesen im Fichtelgebirge ist der Waldstein, ehemals ein Sitz der Herren von Sparneck, die ringsum ihre Spartöpfe hatten, in denen sie fremder Leute Geld aufhoben, bis ihrem Treiben ein Ende mit Schrecken gemacht ward. – Ein armer Tagelöhner hieb einstmals Holz ganz nahe beim alten Gemäuer, das von der Burg Waldstein noch übrig, da trat zu ihm ein kleines Männlein, das war gar freundlich und reichte ihm einen Ziegelstein, indem es dem Mann durch Gebärden zu verstehen gab, den Ziegel mit nach Hause zu nehmen. Der Holzhauer war verdutzt und stand wie Butter an der Sonne; er sperrte das Maul auf und die Augen, drehte den Stein langsam in der Hand und beguckte ihn, und es fiel ihm endlich die große Frage ein: Warum soll ich den Backstein mit nach Hause nehmen? – und da sein hausbackener Verstand zu deren Beantwortung nicht ausreichte, so wollte er diese Frage an den Geber richten. Aber siehe da: das Männlein war verschwunden. Noch einmal wandte der Holzhauer den Backstein um und um und murmelte: Wenn's ein Backsteinkäs wäre, ließ’ ich mir’s eher gefallen. So schmiert man sich Hand und Gewand an dem Dingrich rot und hat nichts davon, geh mir einer mit solchen Narrenspossen! Und damit warf er den Ziegel in die Büsche. Als er nach Hause kam, schrie ihn seine Frau ganz verwundert an: Jo Mo! Du gleißest jo schier wie a Speckschwartn! Host dich öpper im Feuer vergulden lossen? – Und da war aller Ziegelstaub, der an Händen und Kleidern haften geblieben war, purer Goldstaub. Hui, wie fix war jetzt der Holzhauer! Wie lief er wieder zum Waldstein hinauf! Wie suchte er im Gebüsch bis in die sinkende Nacht nach dem goldnen Ziegel! – Aber prosit die Mahlzeit, er fand ihn nimmer.
Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch. Leipzig 1853, Neuausgabe Meersburg und Leipzig 1930.