100. Die Buttersalbe und das Butteröl.
1.

In der Pfarrei Fischen wohnte einstmals in einem abgelegenen alleinstehenden Häuslein ein altes Weib; die hatte den Schuhmacher auf die Stör bestellt [Stör = Arbeit eines Handwerkers im Haus des Kunden], ihm dabei aber eigens eingeschärft, er solle des Morgens nicht so frühe kommen, erst wenn es Tag sei. Als aber der Schuster seiner Gewohnheit gemäß doch schon um 5 Uhr kam, war darob die Alte ganz ungehalten, wollte ihn anfänglich gar nicht einlassen und nötigte ihn dann, auf einige Stunden auf die "Gutsche" zu liegen, bis sie "g'richt" sei. Das kam dem Manne sonderbar vor, und als sie sich dann im Nebenzimmer allerlei zu schaffen machte und eine auffallende Heimlichtuerei zeigte, schöpfte er Verdacht und schlich sachte zur Türe um zum Schlüsselloch hineinzusehen, was die Alte denn eigentlich treibe. Da sah er deutlich, daß sie den "Rührkübel" zurecht rückte und in denselben dann einige Löffel voll Rahm schüttete. Darauf langte sie ein Häfele von der "Kachelrahm" herab, nahm daraus einige Messerspitzen voll Salbe, strich dieselbe in das Butterfaß und fing an, "umzutreiben und zu rühren". Es dauerte aber gar nicht lange, so hatte sie schon "ausgerührt" und langte nun drei ungeheuer große "Rührata Schmalz" aus dem Fasse heraus, daß der Schuhmacher nicht genug staunen konnte und sich dachte: "Das ist aber einmal kommod, solche Salbe muß ich mir auch verschaffen." Als ihm nun nach einiger Zeit das Weible als Frühstück solch "frischgerührte" Butter hereinbrachte, fand er dieselbe ausgezeichnet, stellte sich aber, als ob er schon aus dessen Geschmack erkenne, wie er gewonnen worden sei, und fragte ganz unverhohlen, ob sie ihm nicht etwas Salbe geben könnte. Jawohl, meinte die Alte und gab ihm abends, als er nach Hause ging, von der Salbe mit. Andern Morgens war nun sein erstes, daß ihm sein Weib etwas Rahm besorgen und einen Rührkübel zu leihen holen mußte, und nun probierte er gleich seine Salbe, und siehe, er bekam geradeso wie die Alte drei großmächtige Rührata Butter! Da mußten sich's Weib und Kind schmecken lassen, und sie alle waren frohen Mutes, daß jetzt aller Not abgeholfen sei. Als es aber Abend geworden war, kam alsbald nach Betläuten ein sonderbarer, fremder Mann mit einem Buche unterm Arme in das Haus, fragte nach dem Schuhmacher und erklärte, er müsse sich in dem Buche unterschreiben. Ja warum? Er wisse nicht wofür und warum. Da sagte der Fremde, er werde schon wissen, was er getan habe, und müsse unterschreiben, und zwar mit seinem eigenen Blut. "Ja Sappermentsch, mit meinem eigenen Blut? Mein Blut ist aber keine Tinte. Ich habe mein Blut nicht zum Schreiben, und wenn ich auch wollte, wo sollte ich es hernehmen?" Da sagte der Mann, das sei das wenigste, dafür könne er schon sorgen; er dürfe sich nur ein ganz kleines Schnittlein in den Arm machen, und dann werde schon Blut kommen, daß er die Feder eintunken könne. Wenn er das aber nicht tue, werde er sehen, wie es ihm ergehen werde. Da nun der Fremde immer ungestümer wurde und sich gar nicht abtreiben ließ, so gab der Schuster nach, ritzte den Arm, nahm die ihm vom Manne dargebotene Feder, tauchte ein und sagte: "Nun, wohin muß ich denn schreiben?" Da schlug dieser das Buch auf und wies ihm eine Stelle. Der Schuster aber war ein Vokativ, fing wohl an zu schreiben, aber nicht, was man von ihm wollte; denn als der fremde Mann nach der Unterschrift sah, standen da die Worte: "Jesus, Maria und Joseph." Kaum hatte der Mann aber diese süßen Namen gesehen, so gab es ihm einen Riß in allen Gliedern, und heulend und schreiend floh er in den Lüften davon und hinterließ einen "fürchterlichen Stank". Das war alles so schnell gegangen, daß er nicht einmal das Buch mitgenommen hatte, das noch auf dem Tische lag. Wie nun der Schuhmacher darin blätterte, fand er da eine ungeheure Anzahl von Namen und darunter nicht wenige ihm bekannter Personen. Er brachte es dann dem Pfarrer, und dieser lieferte es dem Gerichte ein. Weil aber auch viele vornehme und angesehene Leute sich dem Teufel verschrieben hatten, so schlug man alle weitere Untersuchung nieder und vertuschte alles. Vielleicht hätten sie beim Gericht in Immenstadt das Buch noch, wenn es nicht schon längst verräumt oder verbrannt worden ist.

2.

In einer Käserei bei Isny stand einmal ein Senn in Diensten; "der hatte es mit Käsen und Rühren nie recht," er mochte sich noch so sehr fleißen und noch so "akurat mit allem" sein. Da traf es sich einmal, daß ihm, als er rührte und "den" Butter aus dem Faß nahm, ein kleines Mädchen von einem Nachbar zuschaute. Auf einmal sagte dieses: "Wir haben daheim nur e i n e Kuh, aber die Mutter bekommt beim Rühren jedesmal viel mehr Schmalz, als dies da ist," und deutete auf den neugerührten Butter. "Nun, wie macht es denn da die Mutter?" fragte der Senn erstaunt. "Ja, sie hat ein Öl, und davon läßt sie jedesmal nur einige Tropfen in das Rührfaß träufeln, und dann gibt es allemal einen großmächtigen Wecken Schmalz." Da tat der Senn dem Kind recht schön und sagte, es solle ihm doch auch von dem Öl ein bißchen bringen, und es brachte ihm davon. Sobald der Senn das Öl beim Rühren anwendete, bekam er "grausam viel Schmalz", mehr als sonst in einer ganzen Woche. Es dauerte aber nicht lange, so kam der Teufel und brachte ein Buch, und da sollte der Senn seinen Namen mit seinem Blute einschreiben. Dieser sträubte sich aber dagegen und tat es nicht. Von dieser Stunde an hat man den Sennen nie mehr gesehen; aber alle Nacht hörte man in dem Stalle ein fürchterliches Geheul, auch heute noch, und so wird ihn wohl der Teufel mitgenommen haben.

3.

Einst war in Wieseris, einem Weiler der Gemeinde Betzigau, ein Schuster bei einem Bauern auf der Stör und bemerkte, wie die Leute aus ganz wenig Rahm eine Menge Schmalz rührten. Als man wieder rührte, paßte der Schuster auf und bemerkte, daß die Bäuerin einen Fetzen hatte, von dem sie ein bißchen herunterriß und in das Butterfaß warf, worauf es wieder soviel Schmalz gab wie das erstemal. Da dachte sich der Mann, mußt von dem Fetzen auch etwas mitnehmen und probieren, und riß heimlich ein Stückchen herunter. Als er nach Hause kam, verlangte er gleich vom Weib ein bißchen Rahm, warf dann den Fetzen dazu und bekam ungemein viel Schmalz, geradeso wie die Bäuerin.

Das nämliche ist auch in Seeg einmal passiert, wo es ebenfalls einer so machte. Da kam aber alsbald einer am Abend und sagte, wenn er das noch länger so "treibe", so müsse er unterschreiben. Das kam dem Manne unheimlich vor, und er gab es auf.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 100, S. 106 - 110.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.