213. Die drei Wünsche.

Christus der Herr und Sankt Peter waren einmal den ganzen Tag gewandert und kamen abends zu einem großen, schönen Bauernhaus, wo sie übernacht bleiben wollten und also um Herberge anfragten. Da kamen sie aber übel an; denn der Bauer, dem der Reichtum das Herz hart gemacht hatte, fing an zu schimpfen und schelten und wies sie rauh ab. Nebenan aber stand ein kleines "lotschiges" Häuslein; in dem wohnte ein armer Mann mit seinem Weibe und einem ganzen "Bruslat" Kindern, und dahin wandten die beiden Abgewiesenen nun ihre Schritte und baten um Nachtquartier. "Von Herzen gern wollen wir euch behalten," sprach der Mann, "aber wir sind halt recht arm und können euch fast nichts bieten. Wir haben keine Betten; wenn ihr euch nur auf dem Heu begnügen möget! Auch mit dem Essen wird es schmal hergehen; aber wenn es euch nicht zu schlecht ist, so wollen wir redlich miteinander teilen." Da mußten sie sich zum Tisch vorsetzen, und als das Weib das Abendessen brachte, mußten sie "mithalten". Ob solcher Freundlichkeit und Mildherzigkeit waren nun die beiden hocherfreut, und frohgemut begaben sie sich dann auf ihr Lager. Ehe sie aber am frühen Morgen des Weges weitergingen, gab sich der Herr den armen, aber gastfreundlichen Leuten zu erkennen und sprach, zum Lohne dürften sie nun drei Wünsche aussprechen, die alle in Erfüllung gehen würden. Da ward der Arme gar gerührt und erzählte dann dem Herrn, wie ihn sein reicher Nachbar nebenan plage und fuchse und ihn und seine Familie verächtlich behandle, weil sie so arm seien und in einem gar so elenden Häuschen leben müßten. Wenn er nur auch ein ordentliches Haus hätte! Kaum ward aber dieser Wunsch ausgesprochen, so verwandelte sich die armselige Hütte in ein schönes, großes Haus, so groß und so schön, als das Haus des Nachbarn war. Als Zweites erbat sich nun der Mann "Zeug genug", und allsogleich umstanden eine große schöne "Buind" und ein Garten, Änger und Felder das Haus und stellte sich in allen Dingen Wohlstand ein. Und als sich endlich der Staunende als Drittes "allweg Glück und Gesundheit für sich und die Seinen" wünschte, versicherte ihm der Herr, daß auch dies ihm und der Familie stets zuteil werden solle. Darauf verabschiedeten sich die beiden, indes die überraschten guten Leute vor Freude kaum Worte des Dankes finden konnten.

Es dauerte nun nicht lange, so gewahrte auch der reiche Nachbar die Veränderung, und da konnte er freilich die Augen nicht weit genug aufsperren und wußte lange nicht, wie er das alles verkopfen solle, und ob nicht alles ein Traum oder eitel Trug und Blendwerk sei. Was half's? Er mußte doch daran glauben, und so blieb ihm nichts übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er ging hinüber zum Nachbar, um zu fragen, wie denn das alles zugegangen und gekommen. Als er nun erfuhr, wer die zwei Männer gewesen und was sich zugetragen hatte, bereute er nicht wenig, daß er die beiden gestern so grob abgewiesen und sich ein ähnliches Glück verscherzt habe, und nun ließ es ihm keine Ruh, und er erkundigte sich aufs genaueste, wie lange die Wanderer schon fort und wes Weges sie gegangen seien, eilte dann heim, ließ einspannen und fuhr nach; vielleicht könne er doch noch was für sich herausschlagen.

Als er sie eingeholt hatte, konnte er nicht genug Komplimente machen und entschuldigte sich über die Maßen, daß er sie gestern abgewiesen habe; er habe eben nicht gewußt, wer sie seien, und da er das nun erfahren habe, so sei er eigens nachgefahren, um seinen Fehler gutzumachen. Sie möchten ihm doch verzeihen und ihm nun die Ehre antun, einzusteigen und mit ihm nochmals zurückzufahren, daß er ihnen eine Kleinigkeit vorsetzen könne. Auch möchten sie Haus und Hof besichtigen; er werde sie dann wieder fahren, soweit sie es ihm erlauben würden. Obwohl nun der Herr gut wußte, wo hinaus auf einmal die Höflichkeit und Gastfreundschaft des Bauern wolle, nahm er doch die Einladung an, stieg mit Petrus ein, und so fuhren beide zum Bauernhof zurück. Nun mußte die Bäuerin, die eben mit ihrem Flachs beschäftigt war, den beiden Gästen zu essen und zu trinken vorsetzen, und alles war gegen sie ausnehmend "hehl und schmeichlig", und wie sie nun gegessen und getrunken hatten, wurde ihnen die Hauseinrichtung, der Stall mit dem Viehstand, der Heustock und das Feld gezeigt. Insgeheim dachte der Bauer aber nur an die Wünsche, die er hoffentlich zum Schlusse "tun" dürfe, und unterließ es auch nicht, nahe darauf hin zu reden, wie ihm so gar mancherlei noch fehle, wie vieles noch anders sein sollte, wie die Zeiten schlecht seien und selbst den reichen Bauern der Schuh drücke, und lauter solch Gejammers.

Als es nun zum Abschied kam, sprach der Herr in Milde zu den beiden Bauersleuten, sie dürften drei Wünsche vorbringen, die dann sogleich in Erfüllung gehen würden. Da wollte aber die Bäuerin doch nicht das letzte Wort haben, und so fing sie gleich an zu erzählen, wie der Flachs heuer wohl geraten sei, daß sie ihn fast nicht auf die Seite zu bringen vermöge, zumal sie mit ihrer alten Hechel (kammartiges Gerät zur Flachsverarbeitung) sowenig bei der Arbeit ausrichten könne; wenn sie nur eine neue hätte! Kaum hatte sie aber das gesagt, so war auch schon eine große, schöne Hechel da. Als das der Bauer sah, ward er fuchsteufelswild, daß sie nichts Besseres sich gewünscht habe, und platzte in seinem Zorne heraus: "Du dummer Kog, wenn du nur gleich die Hechel im F. . . . hättest!" Aber o weh! Nun war auch dieser Wunsch sogleich erfüllt, und das arme Weib fing an, jämmerlich zu schreien und zu lamentieren, wie man sich denken kann, und nun verblieb dem Bauern als dritter Wunsch nichts anderes mehr, als den Herrn zu bitten, daß er das Weib von der Hechel wieder befreie.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 213, S. 218 - 221.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.