144. Frevel mit einem Totenschädel.
In Bechters, einem kleinen Weiler bei Ottackers, lebte einst ein Mann, Namens Thomas K., der ein großer Liebhaber von Zauberkünsten war. Da er überaus stark und kuraschiert war und in nichts eine Furcht kannte, so holte man ihn gewöhnlich, wenn es irgendwo etwas Schwieriges oder Unheimliches und Schreckliches zu besorgen gab. Nun wollten einmal einige in die Lotterie setzen und dabei Zaubermittel anwenden. Dazu hätten sie aber einen Totenschädel gebraucht, der nachts Schlag zwölf Uhr aus dem Kirchhof geholt werden sollte. Keiner getraute sich einen herbeizuschaffen, bis auf den Thoma, der sich dazu bereit erklärte, die Mitternachtsstunde abpaßte und dann zum Kirchhof und zum Beinhaus hineinschlich. Als er aber einen Schädel anfaßte und ihn nehmen wollte, hörte er eine dünne Stimme rufen:
Laß ihn sein,
's ist der mein!
Da legte er den Schädel wieder hin und griff nach einem andern, und wieder hört er rufen:
Laß ihn sein,
's ist der mein!
Wer sich aber darob nicht aus der Fassung bringen ließ, das war
der Thoma; vielmehr wurde er zornig und rief: "Du wirst bigott it
zwi häng!" und sprang mit dem Schädel davon. Geschehen
ist ihm dabei nichts; aber ganz geheuer war es ihm hernach doch auch nicht
zu Mute, und so machte er, daß er den Schädel möglichst
bald wieder an seinen Ort zurückverbrachte.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 144, S. 149 - 150.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.