13. Goldsucher bei Ehenbichl.
In der Nähe des Dorfes Ehenbichl bei Reutte sah man ehedem an den
Gehängen des Schloßberges und in der Au öfters kleinwinzige
Männle, die kaum tischhoch waren und auf dem Kopfe einen großen
Hut hatten, unter dem große Ohren sichtbar waren. Sie steckten in
einem langen, talarähnlichen Rocke, der ihnen bis zu den Knöcheln
hinabreichte, und wurden nicht selten von den Hirten am hellichten Tage
beobachtet, wie sie herumwandelten und sich bald da, bald dort zu schaffen
machten und suchten. Einmal kam ein solches Männchen zu dem Ehenbichler
Geißhirten heran, als er seine Herde ausgetrieben hatte und sie
gegen die oberen Abhänge des Berges wenden wollte. Es tat ganz freundlich
mit ihm, frug nach allerlei und stellte sich, als ob es sich ihm anschließen
und bei ihm bleiben wollte. Das kam aber dem Hirten nicht ganz geheuer
vor, und in seiner Furcht und seinem Mißtrauen gebrauchte er eine
Ausrede, er habe zu Hause etwas vergessen und müsse vorher noch schnell
heim, und trieb nun die Geißen talabwärts. Auf solche Weise
ward er nun des Männchens freilich los; aber wer weiß, ob er
nicht dadurch selbst sein Glück verscherzte? Denn man hielt die seltsamen
Männle insgemein für Goldsucher oder Venediger Männle,
und die waren bekanntlich in allen Bergesschätzen gar wohl bewandert.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 13, S. 21 - 22.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.