80. Der Hahnenkampf.
Zu einer Zeit kam Karl der Große auf sein Schloß bei Kempten
zu seiner Gemahlin Hildegard. Als sie nun eines Tages über Tische
saßen und mancherlei von der Vorfahren Regierung redeten, während
ihre Söhne Pipin, Karl und Ludwig daneben standen, hub Pipin an und
sprach: "Mutter, wann einmal der Vater im Himmel ist, werde ich dann
König?" Karl aber wandte sich zum Vater und sagte: "Nicht
Pipin, sondern ich folge dir nach im Reich." Ludwig aber, der jüngste,
bat beide Eltern, daß sie ihn doch möchten König werden
lassen. Als die Kinder so stritten, sprach die Königin: "Euren
Zwist wollen wir bald ausmachen; geht hinab ins Dorf und laßt euch
jeder einen Hahn von den Bauern geben!" Die Knaben stiegen die Burg
hinab mit ihrem Lehrmeister und den übrigen Schülern und holten
die Hähne. Hierauf sagte Hildegard: "Nun laßt die Hähne
aufeinander los! Wessen Hahn im Kampfe siegt, der soll König werden."
Die Vögel stritten, und Ludwigs Hahn überwand die beiden andern.
Dieser Ludwig erlangte auch wirklich nach seines Vaters Tode die Herrschaft.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 80, S. 85.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.