81. Die Hildegardsquelle in Kempten.

Die Sage weiß vieles von der Kaiserin Hildegard und deren Gemahl, dem Kaiser Karl dem Großen, und ihrem Aufenthalte auf der Burg zu Kempten zu erzählen. Auch die Auffindung einer Quelle, die der Kaiserin Namen trägt und wegen ihres trefflichen Trinkwassers sehr geschätzt ist, wird der Kaiserin zugeschrieben.

Als nämlich Karl in Rom beim Papste weilte, wurde eben ein herrliches Kirchenfest gefeiert, an dem auf wunderbare Weise die Unschuld der Kaiserin Hildegarde ans Tageslicht kam, die auf Verleumdung Talands vordem vom Kaiser war verstoßen worden. Nachdem die beiden Gatten unter dem Jubel der Menge sich gefunden und die Festlichkeit vorüber war, schickte sich der Kaiser an, mit seiner Gemahlin und seinem großen Gefolge wieder in die deutsche Heimat zurückzukehren. Auch der Ort Kempten sollte berührt werden, für dessen neues Kloster Hildegard viele Heiltümer und Geschenke des Papstes mit sich führte.

Als der reisige Zug mit all dem Troß und zahlreichem Gefolge auf staubigen Wegen bei sengender Hitze gen Kempten herangezogen kam, war allenthalben Klage über Wassermangel. Da wies die Kaiserin Hildegard, als Naturkundige im Volke hochangesehen und durch früheren Aufenthalt mit der Gegend vertraut, nicht ferne von der Stadt, wo der Zug Rast hielt, auf eine reiche Quelle, die frisch und klar einem nahen Hügel entsprang. Hier wurden nun alle, Menschen und Tiere, von der Quelle erquickt und ersattet, wie in alten Schriften geschrieben steht, und noch heute fließt diese "Hildegardis-Quelle" an dem Orte, der ehedem der Schwaighof hieß, jetzt aber als Schwaighausen einen Vorort der Stadt Kempten bildet.

Um die alte Sage aber der Vergessenheit zu entrücken, ward in neuerer Zeit bei der Quelle, die neu gefaßt und mit schattigen Anlagen umgeben wurde, das Bildnis der Kaiserin und eine Inschrift angebracht.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 81, S. 86 - 87.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.