103. Der Katzebue.
In Obertiefenbach und Umgegend trieb vor alten Zeiten lange der "Katzebue" sein Unwesen, der ein vollendeter Hexenmeister und Zauberer war, nebenbei auch viele Diebereien verübte und zuweilen ein reines Räuberleben führte. Er vermochte auf einer Haselnuß, wenn sie noch in der grünen Hülse steckte, in den Lüften dahinzureiten und konnte jederzeit Unwetter und Hagel machen.
Als er einmal in einem Hause in Winkel zu Tiefenbach war, wollten einige Anwesende seine Kunst, Wetter zu machen, anzweifeln und forderten ihn auf, er solle das ihnen doch einmal vormachen, wenn er es könne. Da ließ der Hexenkünstler alle Fenster in der Stube schließen, daß das Wetter nicht ins Freie entweichen könne, machte seine Sprüche und Sachen, und siehe, es fing richtig an zu hageln, und die größten "Zöjen" und Hagelkörner fielen herab, daß es allen im Hause grauste und sie ihn bitten mußten dem Hexenwerke Einhalt zu tun!
Er hatte mancherlei Eigenheiten. So verschmähte er zeitlebens Erdäpfel und Bohnen; denn er esse nichts, was nicht Sonne und Mond angeschienen habe. Wegen seiner vielen Freveltaten und Räubereien ward er aber von der Obrigkeit viel verfolgt, und oft rettete er sich nur dadurch, daß er auf den Friedhof zu Tiefenbach flüchtete, der wie überhaupt jeder Freithof damals noch als Freistätte galt, wo man einen nicht fassen durfte. Um ihn nicht entkommen zu lassen, umzingelte man den Kirchhof oft tagelang, daß er öfters hier hätte verhungern müssen, wenn nicht Leute manchmal mit ihm Erbarmen gehabt und ihm Brot über die Kirchhofmauer geworfen hätten, nur um ihn nicht verhungern zu sehen. Durch allerlei List entkam er aber immer wieder, bis er endlich doch in einer Heuschinde im Walsertal umzingelt und ergriffen wurde. Beim Wegführen gab er sich ganz gelassen und reuig und flehte, man möchte ihm vor seinem nahestehenden Ende doch noch einen Wunsch erfüllen und ihm, weil es gerade Nußzeit sei, einige Haselnüsse darreichen, die er ums Leben gern esse. War aber dies geheime List; denn er wollte damit nur seine Hexerei treiben und das merkte man und sah sich vor. Man war ihm zwar zu Willen, aber überreichte ihm die Nüsse ohne "Sättele", denen dadurch die Zauberkraft benommen ward.
Vor seiner Hinrichtung im Bregenzerwald bekannte er noch vor der umstehenden
Menge, daß sein erster Diebstahl in einer Nähnadel bestand,
die er der Mutter gebracht habe, wofür sie ihn dann belobt habe.
Wer einen Gruß oder "B'richt" an den Teufel "aufgeben"
wolle, solle es sagen; er werde ihn pünktlich "ausrichten",
und so starb er unbußfertig und verstockt.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 103, S. 111 - 113.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.