4. Der wilde Jäger im Lautracher Wald.

Von Aichstetten nach Lautrach führt der Weg an der württembergisch-bayerischen Grenze über eine bewaldete Anhöhe, den Lautracher Wald. Hier trieb ehedem der wilde Jäger sein Wesen und ist oftmals von Leuten, die des Nachts den Weg gingen oder sonst in der Nähe waren, gehört und auch gesehen worden, am häufigsten in den "Seelentägen" um Allerheiligen. Er führte gewöhnlich an der Leine angekoppelt zwei Hunde mit sich, die feurige Augen und eine feurige "Lälle" (Zunge) hatten, und wenn er in dem Walde jagte, vernahm man weithin seinen Ruf: "Hurexdex! hebs! hebs! brrr!"

Einmal kamen in heller Mondnacht zwei Männer, die nach Aichstetten wollten, durch den Wald. Da stand er mit einem Male mit seinen Hunden vor ihnen und "hielt das Gewehr gegen den einen", während der andere davoneilte. Alsbald bekam der Bedrohte einen arg geschwollenen Kopf, so groß wie ein "Viertel" (altes Getreidemaß), was davon herrührte, daß er vom Jäger angeblasen worden war.

Ein andermal kam ein Schuhmacher, der in Lautrach gearbeitet hatte und heim wollte, nachts auch des Weges, und wie er zum Wald gelangte, wo es den Berg aufwärts geht, sitzt da hart neben dem Fußsteig auf einem "Baumstock" (Strunk) der Jäger mit seinem langen Gewehre, indes seine beiden Hunde sich auf der andern Seite befanden, so daß die Leine, an der sie angekoppelt waren, quer über den Weg gespannt war und denselben versperrte. Da wagte der erschrockene Schuster nicht geradeaus zu gehen, und wich ihnen vorsichtig aus. Sowie er aber an das andere Ende des Waldes kam, wiederholte sich in gleicher Weise die Erscheinung, indem abermals der Jäger dasaß und die Hundeleine ihm den Weg sperrte. Da faßte sich der Mann ein Herz und dachte sich: Du hast nichts Unrechtes getan, darum weichst du diesmal nicht mehr aus. Er schritt, die Füße hochhebend, über die gespannte Leine weg, und siehe, es geschah dem Kuraschierten weder vom Jäger noch von den Hunden ein Leids.

Einmal geschah es auch, daß ein Wilderer in dem Walde dem Jagdfrevel nachging. Da hörte er alsbald schon von weitem wildes Hundegebell und die bekannten Lockrufe des wilden Jägers, die immer näher kamen. Zuletzt fing es an zu wetterleuchten, zu blitzen und zu donnern, und es ging so wild und unheimlich zu, daß der Wilderer, der sich sonst nicht leicht fürchtete oder sich in Schrecken bringen ließ, doch fliehen mußte und künftig in dem Walde nicht mehr zu jagen Lust hatte.

Dieser Lautracher Jäger soll ehedem an Sonn- und Feiertagen nie in eine Kirche gegangen sein, habe sich dafür vielmehr mit der Jagd belustigt, und so habe er nun nach seinem Tode geisten und beständig jagen müssen.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 4, S. 8 - 9.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.