62. Der Reiter auf feurigem Roß.
Auf der Sölleralpe am Söllereck bei Oberstdorf hütete
einstmals ein Hirte; der war in seinem Dienste gar gleichgültig und
sah wenig auf seiner Herren Sach und Vieh, ja einmal sprengte er aus purem
Mutwillen ein Roß so zwischen zwei Felsen, daß es nicht mehr
vor- und rückwärts konnte und, weil sich der Hirte nicht mehr
dessen annahm, zugrunde ging. Zur Strafe hiefür mußte der gewissenlose
Hirte nach seinem Tode geisten. Man sah ihn viele Jahre lang auf einem
feurigen Roß in der Alpe herumreiten und hörte ihn kläglich
rufen: Wo kann es raus, wo kann es raus? Als endlich der eigentliche Sachverhalt
offenbar geworden, erstatteten des Hirten Anverwandten im Walsertal den
Schaden zurück und stifteten sogar ein großes wächsernes
Roß ins Kloster nach Mittelberg, und von da an war der Geist erlöst
und wurde nicht mehr gesehen.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 62, S. 65.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.