3. Unheimlicher Schimmelritt.
Ein Schuhmacher von Stiefenhofen ging einmal abends spät mit seinem
Lehrbuben von der Stör heim. Als beide an dem Friedhofe vorbeikamen,
gewahrten sie bei der kleinen Kapelle, die damals noch neben der Kirche
stand, einen schönen, prächtigen Schimmel, der "überaus
nobel" gesattelt war. Aha, der Schimmel ist beim Wirt ausgekommen!
dachte sich der Schuster und übergab dem Lehrbuben sein Handwerkszeug,
damit er den Gaul einfangen und heimführen könne. Kaum hatte
er sich aber an den Schimmel herangemacht und das schöne Sattelzeug
etwas betrachtet und probiert, so kam er, ohne recht zu wissen wie, auf
das Roß zu sitzen, und nun sprang der Schimmel mit ihm im rasendsten
Galopp über alle Gräben und Zäune dahin und der Harbatzhofer
Höhe zu. Dem Reiter verging darob Sehen und Hören; zum Glück
aber ward er nach einiger Zeit abgeworfen, ohne besonderen Schaden zu
nehmen; das Roß aber verschwand. Wie es sich hernach herausstellte,
war aber weder beim Wirt noch sonst bei einem Bauern ein Roß ausgekommen
und überhaupt kein solcher Gaul aus der Gegend bekannt, und so war
nach allem kein Zweifel, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugegangen.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 3, S. 7 - 8.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.