69. St. Jörgenberg bei Germaringen.
Weit auf und ab im Wertachtal schaut die Kirche von St. Georgenberg oder
Jörgenberg bei Kaufbeuren, wo schon die Römer eine Niederlassung
hatten. An deren Stelle soll eine mittelalterliche Burg gestanden sein,
von der jetzt aber nichts mehr zu sehen ist. Von dieser Burgruine geht
folgende Sage: Lange Zeit, nachdem die Burg zerfallen, sei ein unterirdischer
Gang sichtbar gewesen, der in die Gewölbe der Burg geführt,
wo ungeheure Schätze aufgehäuft lagen, von einer Jungfrau bewacht,
daher dieser Gang im Munde des Volkes das "Jungfernloch" hieß.
Einstmals seien etliche Hirten beim Eingang zusammengekommen, und da hätten
sie einen aus ihrer Mitte hineingeschickt. Nach langem, langem Wandern
sei er in ein prächtig beleuchtetes Gewölbe gekommen, auf dessen
Boden lauter Kisten mit funkelndem Gelbe gestanden, indes auf einem goldenen
Stuhle eine schöne Jungfrau saß, die sich über seine Ankunft
zu freuen schien. Sie habe mit der Rechten gewinkt, er solle nur nehmen,
was er wünsche. Der Hirtenknabe aber habe nur um so viel gebeten,
daß er sich eine neue Geißel kaufen könne, und habe auch
nicht mehr mitgenommen, worüber die Jungfrau laut geweint habe. Als
er wieder herausgekommen, hätten die andern Hirten ihn ausgescholten,
daß er nicht mehr mitgenommen. Dann hätten sie einen älteren
hineingeschickt, und damit er wieder sicher herausfände, alle ihre
Geißeln aneinander gebunden. Wenn er alle Taschen voll habe, sollte
er dann ein Zeichen geben. Wie sie erwartungsvoll hineingeblickt, hätten
sie nichts gefunden als einen Bocksfuß; der Hirt aber sei nicht
mehr herausgekommen.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 69, S. 73 - 74.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.