77. Der "Waldjohler" bei Stanzach.

Von Stanzach ging vor Zeiten der "Waldjohler" jede Nacht bis zum Nikolausbrunnen an der Talscheide von Namlos und Fallerschein auf der rechten Seite des Tales hinein und kehrte auf der linken zurück. Dabei stieß er von Zeit zu Zeit ein furchtbares Gebrülle aus, welches zu heiligen Zeiten immer stärker war. Man hat ihn auch mit der wilden Jagd ziehen sehen. Einmal machte ein Wildschütze Feuer auf, da zog der Waldjohler an ihm vorbei; zugleich sprang auch ein Hirsch plärrend auf und mit dem Waldjohler talein.

Als einmal Jäger in die Nähe kamen, hörten sie plötzlich hundertfaches lautes Glockengeschelle und eine Unruhe, wie wenn die größte Herde Vieh ihnen entgegenkäme. Wie sie aber zu sprechen aufhörten und verdutzt stehen blieben, war plötzlich auch wieder alles still und ruhig, und weit und breit war kein Stück Vieh, geschweige denn eine ganze Herde zu sehen. Sie wußten nun die Sache nicht anders zu erklären, als daß alles nur ein Blendwerk des "Johlers" gewesen, und darum gingen sie hübsch ruhig und eingezogen ihres Weges fort. So blieben sie vom Johler unbelästigt.

Den Johler haben früher viele arg gefürchtet. Auch das Alpvieh brachte er öfters in Aufruhr und Furcht. Da hat ihn dann endlich ein "Jesuiter" gebannt, und seitdem hat man ihn nie mehr gehört.

Der erwähnte Nikolausbrunnen entspringt im wilden Gewänd und soll vom heiligen Nikolaus geschlagen worden sein, als er die Namloser Kinder bescherte.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 77, S. 81 - 82.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.