91. Wie Warmisried zu seinem Namen gekommen.
Die Warmisrieder waren ehedem etwas vergeßlich
oder was sonst, und so passierte es ihnen auch einmal, daß sie den
Namen des Tagesgestirns, der Sonne, sauber vergaßen und sich allesamt
nicht mehr auf dieses Wort entsinnen konnten. Deswegen hielten sie aber
die wohltätige Wärmespenderin doch hoch in Ehren, behalfen sich
in der Not mit einem ihnen geläufigeren Ausdruck und nannten sie
"Warme", und wenn sie am Morgen aufging oder hinter den Wolken
wieder hervorkam, riefen sie erfreut: "O du mei liebe Warme!"
Daher sei es dann gekommen, daß man ihren Ort, der bis dahin Ried
hieß, weil er in einem Ried steht, jetzt Warmisried nannte, wie
er heute noch heißt.
Später geschah es, daß sie es einmal auch mit dem Mond nicht
recht hatten. Zwar sagen die einen so, die andern wieder anders; aber
alle stimmen darin überein, daß sie den Mond mit einer "Strohreite",
also einem Siebe, hatten fangen wollen. Sei es nun, daß das Sieb
nicht recht war oder daß sie die Sache nicht richtig angingen, erwischt
haben sie den Mond nicht, und darum mögen sie auch nicht gern an
die Geschichte erinnert werden.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 91, S. 99 - 100.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.