Die steinernen Jäger
Auf dem Staufen bei Reichenhall finden sich zwei Felsen, welche der Volksmund die "steinernen Jäger" nennt. Hierüber erzählt die Sage folgendes.
Zwei Jäger stiegen einst lange vor Tagesanbruch hinauf auf den Staufen.
Der Weg war beschwerlich und ermüdend, dennoch erreichten sie noch
vor Tagesgrauen ihr Ziel. Während sie nun etwas ausruhten, ertönte
unten ein Glöcklein, das die Gläubigen zur Frühmesse einlud.
Die beiden Jäger hörten das Glöcklein wohl, aber sie achteten
nicht darauf: statt zu beten, stopft sich der eine
eine Pfeife Tabak, der andere putzt sich seine Büchse, beide lassen
sich den Branntwein schmecken.
So vergeht eine kleine Weile, da tönt das Glöcklein wieder aus dem Tale herauf.
"Jetzt wandeln's erst", sagt der eine Jäger lachend, "und wir wandeln schon zwei Stunden!" - "Ja, wandeln hin und wandeln her", entgegnete der zweite, "mir ist ein Gamsbock lieber." Und dann packt jeder seinen Stutzen, und weiter geht's. Da erblickten sie in einem Graben einen starken Gemsbock, der muß ihnen gehören. Flink legt der eine an, schießt los, der Gemsbock aber steht, ist nicht getroffen. Der zweite will es besser machen, fährt mit der Büchse rasch zur Wange und schießt. Da hallt es in den Bergen wider gleich grollendem Donner, daß der Boden unter ihren Füßen erbebt. Erschrocken halten sie inne und starren einander entsetzt an. Jetzt fällt ihr Blick auf den Gemsbock im Graben.
Was sie da sehen, treibt ihnen die Haare zu Berge: Denn derselbe scheint plötzlich zu wachsen, immer größer und größer wird er; jetzt streckt sich die Gestalt, zottiges Haar bedeckt den Körper, die "Gamskrickeln" verwandeln sich in Hörner, die Augen gleichen Feuerrädern, und in einem Flammenmeere steht der leibhaftige Teufel vor ihnen.
"Jetzt gnade uns Gott!" rufen beide zu Tode erschreckt aus
und beginnen zu laufen, um dem Ungeheuer zu entfliehen. Aber immer schwerer
werden ihnen die Füße, sie scheinen nicht von der Stelle zu
kommen. Jetzt fällt auch dichter Nebel ein, der Himmel umdüstert
sich, grelle Blitze durchkreuzen das Firmament und
dröhnende Donnerschläge erschüttern den Berg. Die bei den
Jäger wollen nun beten, allein sie vermögen es nicht mehr. Nur
ein markerschütternder unartikulierter Schrei dringt über ihre
Lippen; dann wird's unheimlich stille. Als sich der Himmel endlich wieder
aufhellte, waren die Jäger in Stein verwandelt.
Quelle: R. von Freisauff, Salzburger Volkssagen,
Bd.1, Wien/Pest/Leipzig 1880, S. 336f, zit. nach Leander Petzold, Sagen
aus Salzburg, München 1993, S. 155.