Räuberische, mörderische und fromme Falkensteiner Grafen
Wahre Räuberhöhlen waren der Sage nach die Burg der Grafen von Falkenstein und ihre Nebenburg Kirnstein, nachdem Graf Siboto III. von Falkenstein im Kampf auf Seiten des Papstes gegen den Kaiser und dessen Getreuen, dem Herzog Otto II. von Bayern, unterlegen war. Zur Strafe hat der "Kaiserfeind" nach seiner Niederlage all seine Besitzungen an den Herzog verloren, und das war nicht wenig, allein sieben Burgen und einige hundert Bauernhöfe zwischen Aibling und Chiemsee und sogar in Südtirol.
Nun war also der Falkensteiner, der nur noch seine Stammburg Falkenstein bei Flintsbach und die Flintsbacher Bauernhöfe sein Eigen nennen konnte, Raubritter geworden und kein Händlerwagen und Kaufherr war mehr sicher vor dem Raubgrafen und seinen Spießgesellen. Ihr mörderisches Handwerk blieb aber nicht ohne schlimme Folgen, denn die Seelen der verstorbenen Räuber geisterten nun schrecklich im Falkenstein, und das nicht nur bei Nacht, wenn sich ohnehin niemand hinaufwagte zur Burg, sondern am hellichten Tage. Sogar die Geister der Ritterdamen fanden keine Ruhe. In Trachten gekleidet, wie man sie vor Jahrhunderten getragen hatte, mit ellenlangen Schleppen, kamen sie zu zweit oder zu dritt an sonnigen Sommertagen von der Ruine Falkenstein herunter und ergingen sich in den Feldern und Innauen. Die Leute, die grad bei der Arbeit auf ihren Äckern oder Wiesen waren, wichen ihnen scheu aus und bekreuzigten sich, wenn die unheimlichen Gestalten vorbeispazierten.
Vielleicht waren es die Frau oder Schwestern eines gräflichen Brudermörders. Denn einmal hausten zwei Brüder auf Falkenstein. Dem älteren von beiden gehörte die ganze Herrschaft, der jüngere aber war ihm untertan und hatte nichts als seinen notwendigen Unterhalt. Diesem demütigenden Zustand wollte letzterer schon lange ein Ende bereiten.
Da schickte es sich, daß beide einmal zusammen auf die Jagd ritten. Der jüngere Bruder war ein Stück vorausgeritten und lauerte dann im Gebüsch neben dem Tauberbach dem älteren auf. Mit seiner Armbrust schoß er auf ihn und tödlich getroffen sank der andere vom Pferd. Den Brudermord als Jagdunfall zu tarnen, war ihm ein Leichtes.
Viele Jahre lang nach der schrecklichen Bluttat erschien der Ermordete
seinem Mörder immer wieder im Traum und schreckte ihn auf. So kam
den überlebenden Grafenbruder allmählich die Reue über
seine Untat an. Deshalb machte er viele fromme Stiftungen zugunsten der
Armen, und an der Stelle, wo er seinen Bruder umgebracht hatte, ließ
er ein steinernes Marterl errichten, das heute noch dort steht.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 99