Die Sage vom Goldenen Ritter
Ein Kampfgenosse und Freund des Ritters Götz von Berlichingen und des nicht minder berühmten Haudegens Georg von Frundsberg war der Landsknechtsführer Kaspar Winzerer. Als Bub mit vierzehn Jahren war er vom elterlichen Kleinbauernhof in Sachsenkam bei Bad Tölz durchgebrannt und mit einem vorbeiziehenden Landsknechthaufen mitgelaufen. Er diente sich hoch und seine Unerschrockenheit und sein heller Verstand ließen ihn im Heere bald bekannt werden. So brachte er es in wenigen Jahren zum Feldhauptmann. Er führte seine Landsknechte in Flandern gegen die Franzosen an und war auch mit Tapferkeit und Umsicht dabei, die Türken abzuwehren. Kaiser Maximilian hat ihn in den Ritterstand erhoben. Eine ganz besondere Auszeichnung war es, daß ihm der Kaiser einen vergoldeten Harnisch schenkte. Das brachte ihm den Beinamen "der Goldene Ritter" ein. Im Bayerischen Erbfolgekrieg focht er mit Herzog Albrecht gegen die Landshuter Bayern. Mit seinem Haufen entschied er die Schlacht zugunsten seines Herzogs. Dafür wurde er im Jahre 1506 mit Burg und Herrschaft Brannenburg belohnt. Dort hat er später seinen Lebensabend verbracht, gerühmt und geehrt auch von der einheimischen Bevölkerung.
Einmal ging der Goldene Ritter zur Gemsenjagd auf den Wendelstein. Oben im Bergwald traf er eine alte Frau, die sich mit einem großen Sack voll dürren Holzes abplagte und diesen offenbar heimschleppen wollte. Das Weib erkannte den Jägersmann nicht, der sie ansprach und fragte, wer ihr erlaubt hätte, in diesen Wäldern Holz zu sammeln. Die Frau gab ihm zur Antwort: "Darum brauche ich nicht zu fragen, denn dieser Wald gehört dem Goldenen Ritter von Brannenburg. Der hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich armes Weib da Brennholz für meine armselige Behausung hole. Dafür brauche ich keine besondere Erlaubnis". Da brüllte Kaspar Winzerer das Weib an: "Du elende Diebin! Der Goldene Ritter, der bin ich!" Zornig entriß er der verdatterten Frau den Sack und leerte dessen Inhalt in den vorbeifließenden Wildbach. Voller Angst fiel die Frau auf die Knie und flehte um Verzeihung. Der gestrenge Herr aber nahm eine schwere Bachkugel und steckte sie in den Sack. Drohend sagte er: "So, das trägst du jetzt zur Strafe in deine Hütte! Unterstehe dich ja nicht, den Stein unterwegs wegzuwerfen!"
Während der Ritter sich wieder auf seinen Weg machte, nahm die Frau ihren schweren Sack auf die Schulter und stapfte den Berg hinab. Je näher sie ihrer Hütte kam, um so schwerer schien ihre Last auf die Schulter zu drücken. Ein paar Mal war sie daran, den Sack mitsamt dem Stein wegzuwerfen, getraute sich aber dann doch wieder nicht, dem Befehle des Goldenen Ritters nicht zu gehorchen.
Endlich kam sie totmüde nach Hause zu ihren Kindern. Weinend sank
sie in der ärmlichen Stube auf die Ofenbank, und ihre Kinder standen
verängstigt um die schluchzende Mutter herum. Sie erzählte ihr
Mißgeschick und um die Wahrheit ihrer Worte zu beweisen, schüttelte
sie den Sack in eine Ecke. Da traute sie ihren Augen nicht, denn es kullerte
kein Stein aus dem Sack, sondern ein genau so schwerer Beutel, angefüllt
mit lauter silbernen Pfennigen. So hatte der rauhe Ritter der armen Frau
geholfen, und obendrein, der Beutel mit dem Geld wurde nicht leer, solange
die Frau lebte.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 112