Auf der Herrenalm geht's um
Die Herrenalm am Brünnstein heißt so, weil sie früher im Besitz des Herrn von Schloß Urfahrn in Reisach war. Heute gehört sie dem Bauern und Wirt Waller in Reisach. Auf dieser Almhütte spukte es. Ein früherer Graf von Urfahrn, dessen Seele keine Ruhe finden konnte, tobte des Nachts im Milchkeller und auf dem Heuboden, machte Krach und stöhnte, daß es ein Grausen war. Kam die Sennerin morgens in die Küche, lag oft ein irdener Milliweidling, wie man die Milchschüsseln nannte, zerbrochen auf dem Boden, von unsichtbarer Hand aus dem Regal an der Wand herausgeworfen. Auch anderes Küchengerät fand man oft durcheinandergeschmissen, oder die Truhe unter der Sitzbank war durchwühlt worden. Oft war das Geistern so schlimm, daß man vor Unruhe und Lärm in der Hütte die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Besondere Angst hatten die Almleute nicht mehr vor dem Spuk, weil sie sich schon daran gewöhnt hatten, aber wer das noch nicht mitgemacht hatte, dem standen schon schön die Haare zu Berge, mochte er sich auch die Wolldecke im Bett über die Ohren ziehen.
Die Stigloher-Oma erinnerte sich noch, daß einmal der Senner von
der Herrenalm zu ihr in die Schmiedalm im Gießenbachtal herabgekommen
ist, wo sie damals Sennerin war. So sehr rumort hatte der Geist des Herrn
von Urfahrn, daß er es nicht mehr ausgehalten hat in seiner Hütte.
Vor etwa achtzig Jahren wurde die Hütte auf Bitten des Besitzers
und der Senner vom Audorfer Pfarrer ausgeweiht. Seitdem ist es aus mit
der Geisterei auf der Herrenalm.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 155